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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Die Last hing ruhig in den stählernen Verschlüssen.
    Eine Stunde verging – eine zweite.
    Die Schläfen klopften. Anjanet wurde krank vor Sehnsucht nach einem Stück Dunkel, nach Nacht, Ruhe und Kühle.
    Randall flog genau nach den zwei Kompassen, die er aufeinander abstimmte. Während des Fluges aß er, trank einen Becher aus dem Kühlschrank der Bordanlage. Hinter ihnen sank die Sonne; sie tauchte die rechten Hälften von allem in messingfarbenes Licht. Wolken kamen auf, Schleier, die das Licht filterten und einen zusätzlichen Eindruck von Schwüle und Müdigkeit schufen.
    »Wie fühlst du dich, Anjanet?« fragte Randall plötzlich. Die Frau zuckte zusammen; sie war aus ihren trüben Gedanken gerissen worden.
    »Ich bin müde – schläfrig. Es ist viel zu hell. Wie kannst du das aushalten?«
    Er lachte humorlos. »Training. Wir haben noch drei Stunden zu fliegen, bis zum Savannenrand.«
    Hier, auf der äquatornahen Seite des Planeten, waren wie zwei breite Straßen zwei geologische Zonen nebeneinander angeordnet. Die Wüste, daneben befand sich die Savanne. Beide wurden von Flüssen durchzogen, die in das seichte Meer mündeten und jenseits der Savanne in der Bergzone entsprangen. Hinter den Bergen lag Tejedor City, dort war der Raumhafen – in Tejedor City fand man auch sämtliche Niederlassungen der Imperiumsbehörden des Planeten. Randall blickte Anjanet schweigend von der Seite an, dann fragte er plötzlich:
    »Du denkst noch immer an die vergangenen Tage und Nächte?«
    Anjanet lächelte matt. »Natürlich denke ich immer noch daran.«
    »Höre auf, dir über diese Dinge mehr Gedanken als unbedingt nötig zu machen. Quäle dich nicht – kannst du etwas daran ändern?«
    »Ich kann nichts daran ändern, Randy«, sagte sie unschlüssig und verzweifelt. Mit einer matten Geste fuhr sie durch ihr Haar. »Ich vermag meine Gedanken nicht zu steuern.«
    Sie schwiegen weiter, während sich rechts hinter ihnen die endlose, goldene Fläche der Wüste zu verdunkeln begann; der untere Rand der Sonnenscheibe berührte den Horizont. Über den Sand huschten lange Schattenlinien. Ganz weit voraus begannen sich dunkle, kreisförmige Flecken abzuzeichnen.
    Abrams Ranch lag inmitten eines Kessels, auch wenn der Höhenunterschied nur fünfzig Meter betrug. Eine Senke mit rund hundert Kilometern Durchmesser wurde fast genau in der Mitte von dem gekrümmten Flußbett durchzogen, dessen Kiesränder einen Gegensatz zu den dunklen Weideflächen bildeten. Abram war Viehzüchter. Seine Kühe erzeugten Milch für ganz T’City. Einst waren die Vorfahren der Kleinrinder in den Wabenzellen der Sternenschiffe von Terra gekommen. Abram war reich, beschäftigte neunzig Robots und bezog sein Vermögen aus der Milcherzeugung, dem Fleischverkauf und dem Häuteverkauf. Abram war alt.
    Der Hubschrauber überflog soeben den Rand des Kessels, ging tiefer; unter ihm setzte sich eine Herde von fünfzig Stück Vieh in Bewegung und floh unter die Bäume.
    Die Maschine steuerte geradlinig auf die flachen Dächer der Farm zu, die sich unter den Kronen der Blauoliven hervorschoben. Die Farm war in der Form eines offenen Vierecks angelegt, und auf dem weißen Sand zeichneten sich die Umrisse einer Gestalt ab.
    »Ruhe … endlich Ruhe«, flüsterte Anjanet so leise, daß sie es selbst nicht verstehen konnte. Neben Abram stand ein silberfarbener Robot, der den alten Mann stützte. Die Maschine verringerte Höhe und Geschwindigkeit, verharrte an einer Stelle und sank weich auf die breiten Raupenketten. Die Reaktoren schwiegen.
    »Wir sind da«, sagte Randall tonlos. Anjanet fühlte sich nur elend. Scham, Schuld und eine schreckenerregende Reihe verschiedener Gefühle stritten in den Gedanken der Frau.
    »Eine Situation«, sagte Randall leise, »die etwas Orestisches hat. Bruder erschlägt Liebhaber der Schwester und kehrt, von Erinnyen verfolgt, vor das Angesicht des Rächers. Witzig.« Er meinte es nicht ironisch, wie der Ausdruck seiner Augen zeigte. Er wischte die schweißnassen Hände an der Hose ab und begann hinunterzuklettern, nachdem er die Schalter in Ruhestellung gebracht hatte. Nebeneinander gingen sie ums Wohnhaus herum, betraten einen überdachten Gang und gelangten zur Eingangstür. Dort stand Abram.
    »Willkommen, Anjanet«, sagte er mit seiner heiseren, tiefen Stimme.
    Anjanet nahm seinen Arm.
    »Willkommen, Randall – ging alles glatt?«
    Randall nickte. »Ja. Etwas zu glatt. Wir berichten später.«
    Abram hatte viel gesehen und

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