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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Füße über den Bettrand, nahm die schwere Handlampe auf und den entsicherten Nadelrevolver, der seit mindestens zwanzig Jahren auf dem breiten Nachttisch lag. Abram tappte vorsichtig zur Tür und lauschte wieder. Die Tritte wurden leiser, entfernten sich.
    Kalkiges Licht zuckte vor Abram auf. Er ging durch den Korridor, öffnete geräuschlos die Tür von Anjanets Zimmer, sah seine Tochter schlafen und nickte beruhigt. Also Randall. Randalls Zimmer war leer. Ein Insekt zog summend Kreise in der warmen Luft, als die Raumbeleuchtung ansprang. Finster blickte Abram auf die Spuren des Aufbruchs. Dann bemerkte er das Fehlen des Gewehrs und der Munition und wußte schlagartig alles. Er seufzte tief, drehte sich um und ging zurück in sein Zimmer; Eile war unnötig. Schweratmend zog er sich an. Als der Greis endlich in die lederne Jacke schlüpfte, schwitzte er. Er rief:
    »Robot!«
    Augenblicklich schwenkte ein silberfarbener Diener ins Zimmer. Er blieb stehen und richtete die roten Augen auf Abram.
    »Wartet, bis Anjanet aufwacht, und wenn es noch so spät wird. Sagt ihr, daß Randall und ich gegen Abend zurückkommen werden – wir haben etwas zu erledigen.«
    Der Kopf der Maschine bewegte sich nach vorn.
    Abram griff in ein Schrankfach, holte dort einen Gürtel hervor und schnallte ihn um die Hüfte. Munition und Nadelwaffe steckten in Taschen aus echtem Leder.
    Dann stülpte Abram einen zerbeulten Hut auf den Schwall weißer Haare, stapfte aus dem Zimmer und bewegte sich schwerfällig den Gang entlang. Eine kalte Wut erfüllte ihn und trieb ihn vorwärts. Wut darüber, daß Randall vergessen hatte, was er der Familienehre schuldig war. Ein Greenborough flüchtet nicht, weil die Flucht nie die Lösung eines Problems sein darf.
    Abram schaffte es, die breite Treppe ohne Hilfe herunterzukommen. Er warf die Haustür hinter sich zu, riß die Stalltür auf und schrie:
    »He! Robots!«
    Drei halbaktiviert hinter Säulen wartende Maschinen traten ins Licht.
    »Sattelt das Vieh dort, und helft mir hinauf!«
    Sie zerrten einen mächtigen Hengst aus der Box, ein fahlgelbes Tier mit schwarzen Fesseln und einem mächtigen Schädel. Binnen weniger Sekunden war das Tier gesattelt und stand nervös tänzelnd vor dem Stall. Abram war lange nicht mehr geritten – heute wurde es notwendig.
    »Hinauf!«
    Schweigend wuchteten die drei silbernen Maschinen den unbeweglichen und schweren Körper in den schwarzen Fellsattel. Die Steigbügel klirrten leise, der Hengst grollte auf. Dann riß Abram an den Zügeln; der laugh stieg knurrend und machte einen Satz, der den Alten gegen die Rückenstütze warf. Die Hufe stoben über den Kies des Hofes und rissen Mann und Tier vorwärts.
    Drei Kilometer weit galoppierte Abram in scharfer Gangart, dann verhielt er.
    Wohin? Er lächelte grimmig in sich hinein. Er wußte, wohin ihn sein Weg führen mußte.
    Sekundenlang schien sich die Natur gegen den Einbruch des Lichtes zu wehren, dann kapitulierte sie mit einem einzigen, wilden Aufschrei. Hitze des kommenden Tages sammelte sich unter den Schreien der Vögel, dem Summen von Tausenden Insekten und kroch von Osten heran wie Gewitterwolken. Die verstreuten Herden erhoben sich brüllend und wurden von den Robots zusammengetrieben.
    Schweigend und in kräftesparendem Trab ritt Abram weiter. Hätte Randall ihn gesehen, wäre er erschrocken; tödlich war der Ausdruck des braungebrannten, runzligen Gesichts. Abram griff nach der Satteltasche, zerrte die Flasche hervor und trank während des Rittes. Wie flüssige Glut rann der hochprozentige Alkohol durch die Kehle. Die erste Hitzewelle des Tages erreichte ihn zwischen den blauschimmernden, zu Platten zerfallenden Felsen der Vulkanlandschaft. Im Pliozän hatte sich hier ein Spalt geöffnet und einige Kilometer hoch Magma aufgetürmt, das im Lauf der Zeit korrodiert und absorbiert worden war; übrig blieb ein steinernes Labyrinth. Ein Gang, nicht viel breiter als ein halber Meter, schlängelte sich hindurch. Klappernd trafen die Hufe auf. Kleine Steine kollerten und weckten vielfältige Echos. Schwitzend und ermattet stand schließlich der Hengst auf einer Klippe. Abram schützte die Augen mit der Hand und sah hinunter ins Tal. Dort zupften zwei Tiere an den Grasbüscheln, die inselförmig im Sand wuchsen. Von Randall keine Spur. Der Alte zog die langläufige Waffe aus dem Futteral, entsicherte sie und zielte auf einen Fleck zwischen den beiden Tieren. Das Krachen, mit dem der Magnet die Nadel durch den Lauf

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