TTB 117: Lichter des Grauens
erlebt. Und er hatte aus all dem eine Lehre gezogen. Als ihn seine Frau betrogen und verlassen hatte, war er ihr gefolgt, hatte zusehen müssen, wie sie bei der Geburt des Kindes starb. Abram war zurückgekommen, hierher, zu seinen Robots und den Herden und zu Anjanet, seiner Tochter. Und er hatte Randall, seinen Sohn, mitgenommen. Er spürte in einem kurzen Bruchteil einer Sekunde, daß mehr vorgefallen war, als es den Anschein hatte. Er beschloß, schweigend zu warten.
»Gehen wir hinein«, sagte er einfach. Randall nickte. Sie hakten sich in den mächtigen Armen ein und führten Abram zurück in das riesige Wohnzimmer.
*
Erstaunlich, dachte Anjanet jedesmal, wenn sie die Einrichtung anblickte, in der sie ihre Jugend verbracht hatte … erstaunlich, wie ihr Vater, ein einfacher Mann, dieses und sämtliche anderen Zimmer des Hauses eingerichtet hatte. Stilsicher; hier wirkte das Material durch Struktur und Form. Holz mit verschiedenen Maserungen, Stein, Leder, die Kurve eines Sessels oder die mächtige quadratische Platte des halbhohen Tisches; wuchtige Holzbeine standen auf den grausilbernen Fellen wilder laughs .
Sie saßen am Tisch. Die dunkelgrünen Augen des Patriarchen unter den schlohweißen, dichten Brauen sahen sehr ruhig von Randall zu Anjanet. Keiner der beiden wußte etwas von der kurzen, tragischen Geschichte, die Randalls Geburt beschloß, nur Abram hütete dieses Geheimnis in einem Winkel seines Herzens. Es war zu lange her, um zu schmerzen. Sechsundzwanzig Jahre. Schließlich sagte Abram: »Tochter, du siehst aus, als habe man dich verprügelt und hungern lassen; verwahrlost, nicht nur äußerlich. Und du, mein Sohn, auf dem mein Auge sonst mit Wohlgefallen ruht, hast das schlechteste Gewissen von Tejedor. Erzählt!«
Unnatürlich ruhig, fast ohne Betonung, sagte Randall: »An deinem Tisch, Vater, sitzt ein Mörder.«
Schweigen. Nach etwa fünf Minuten fragte Abram: »Ich muß mich verhört haben. Sagtest du: Mörder?« Randall nickte wortlos und schluckte.
»Wie kam das?«
»Er hat mich …« Eine Handbewegung schnitt Anjanet das Wort ab.
»Ich fragte Randall«, erwiderte Abram leise. Er blinzelte, und die Ader an seinem faltigen Hals begann zu pochen. »Wer ist es?«
»Ein Raumfahrer.«
»Der Pilot des gesuchten Sternenschiffs?« fragte Abram.
»Ja. Du hast recht.«
»Berichte. Aber ohne Stellungnahme, nur die reinen Tatsachen, Sohn.«
Schweigend hörte der Alte zu. Die Geschichte des Jüngeren begann mit dem Moment, als er durch die Tür des Wohnwagens hereingekommen war und die beiden Menschen auf Anjanets Liege gesehen hatte, Anjanet in Fesseln. Dann mußte Anjanet erzählen.
Währenddessen sank die Nacht herab. Die Konturen der Gegenstände verwischten sich. Der Raum wurde dunkler; dunkelblaues Licht drang durch die großen Scheiben. Auf gummierten Sohlen kam ein Robot herein und drehte den Lichtschalter; ein Korbschirm filterte die Strahlen. Wie versteinert saß Abram da und hörte Anjanet zu. Als sie endete, kam wieder ein Robot herein und begann den Tisch zu decken.
»Was gedenkst du zu tun?« fragte endlich Abram mit seltsam gebrochener Stimme. Es schien, als habe ein Teil der Kraft den alten Körper verlassen. Wie so oft täuschte dieser Eindruck.
»Ich weiß es nicht«, sagte Randall. »Ich denke, daß Anjanet und ich mit dem leeren Schrauber nach T’City fliegen und uns dort den Behörden stellen. Immerhin war es Notwehr.«
»Notwehr!« erwiderte Abram grimmig, »das war nichts anderes als Mord. Hättest du den Kerl nicht einfach niederschlagen und fesseln können?«
»Nein. Immerhin schoß er ein ganzes Magazin auf mich ab.«
»Das du ihm vorher in die Hand gedrückt hast. Piloten sind keine Viehtreiber oder Schrauberpiloten, die noch Spaß an Duellen haben, so wie du.«
Randall schüttelte den Kopf.
»Du irrst, Vater«, sagte er dumpf, »ich habe keinerlei Spaß an Duellen. Und wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, hättest du reagiert wie ich.«
Abram erwiderte heftig: »Da irrst du, Randall. In meinem Alter gewöhnt man sich ab, mit roher Gewalt überzeugen zu wollen.«
Sie aßen schweigend.
Abram stemmte sich aus dem Sessel und umklammerte die hölzernen Lehnen. Dann sagte er, laut und ohne jede sichtbare Bewegung:
»Anjanet wird ein beruhigendes Mittel schlucken und in ihrem eigenen Zimmer ausschlafen. Ich habe alles vorbereiten lassen. Übermorgen werden wir nach T’City fliegen. Es scheint die Pflicht alternder Väter zu sein, ihren
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