TTB 176 - Laumer, Keith - Diplomat der Grenzwelten
gellenden Schrei aus und wurde von den Wassermassen weggerissen. Der Sog zerrte an Retiefs Beinen. Er hielt sich krampfhaft am Lukenrand fest. Ein drohendes Stampfen kam näher und wurde zu einem unterdrückten Dröhnen. Aus der Dunkelheit schob sich eine sechs Meter hohe Woge vor. Das gestrandete Schiff schwankte, rollte hin und her. Retief warf einen Blick auf die heranjagende Woge. Er stemmte sich noch einmal in das Metall – und kurz bevor das Wasser ihn wegriß, warf er sich mitten in den Brecher.
*
Retief spürte, wie er mit der Geschwindigkeit eines Expreßzuges nach oben getragen wurde. Nach oben … nach oben … Dann ging es scharf nach unten, und er gewann ein paar Meter der kostbaren Tiefe. Doch abrupt wurde er weitergestoßen wie ein Stück Holz und in den Wirbel des Brechers gezogen. Er zog die Beine an, schlang die Arme fest um die Knie und verharrte in dieser Stellung, während die widerstreitenden Wogen ihn hin- und herzureißen versuchten. Dann, in einem Augenblick der Ruhe, stieß er gegen den Druck des Wassers vor – und tauchte unterhalb des Wellenkamms im dichten Schaum auf. Er warf sich in Richtung des Ufers, mit vorgestreckten Armen und steifem Körper. Unter ihm wühlte der Brecher mit der Macht des Niagarafalles – aber Retief wurde wie auf einem Brett an der Oberfläche dahingeschleudert.
Er hob den Kopf, um nach Luft zu schnappen und das Wasser aus den Augen zu schütteln. Weit vorn auf dem Strand brannte ein hohes Feuer.
Je näher er dem Ufer kam, desto schwächer wurde die Kraft der Wellen. Und dann spürte Retief Boden unter den Füßen. Er watete den langen Weg durch das seichte Wasser bis zum Strand.
Zu seiner Linken bemerkte er plötzlich eine Bewegung. Licht spiegelte sich auf einer zähen, schuppigen Haut und einem eckigen Kopf mit scharf zulaufender Schnauze, aus der gefährliche Stoßzähne ragten.
Als das Geschöpf den Kopf hob, sprang Retief zur Seite. Dann warf er sich nach vorn, während das Raubtier zustieß. Er schlang seine Arme um den dicken Nacken und griff in die federartigen Kiemen, die er unterhalb der Augen entdeckt hatte.
Das Tier bäumte sich in rasender Wut hoch und riß ihn aus dem Wasser, aber er gab nicht nach, sondern drückte immer fester zu. Als die Bestie endlich erschöpft schien, lockerte Retief einen Moment lang seinen Griff, legte einen Arm unter den Kiefer und drückte nach oben. Ein splitterndes Geräusch. Der lange, schlangenartige Körper peitschte noch einmal durch das Wasser, dann lag er still da.
Als sich Retief erhob und tief einatmete, drang plötzlich ein weißer Lichtkegel über das Wasser und erhellte die schaumbedeckten Wogen.
Im nächsten Moment durchfurchte ein Schuß das Wasser – nur Zentimeter von ihm entfernt.
*
»Nicht erschießen!« fauchte jemand. »Höchstens, wenn er zu fliehen versucht.«
Retief hielt sich so ruhig, wie es das aufgewühlte Wasser zuließ, während das Boot mit dem spitzen Bug auf ihn zukam.
»Also schön – an Bord mit ihm!« befahl die gleiche Stimme. Hände zogen ihn an Deck. Retief starrte in einen Kreis schweigender Gesichter.
»Grundy, hol die Gischt-Schlange mit herein«, rief ein Mann über die Schulter. Der Befehl wurde sofort ausgeführt, und der Anführer steckte langsam seine Pistole in den Gürtel eines teuren, aber nun schon abgewetzten und verschmutzten Anzugs.
»Wer sind Sie, Mister?« knurrte er. »Wer hat Sie hergeschickt?«
»Herrschaften, ist euch der Name Haterakan ein Begriff?« Retief wischte sich das eisige Salzwasser aus dem Gesicht.
»Was ist mit den Leuten los?« fragte sein Gegenüber scharf.
»Sie kommen im Moment mit vierundneunzig Kampfbooten auf Emporium zu«, berichtete Retief. »Ihre Absichten gegenüber den Terranern scheinen nicht friedlich zu sein.«
»Oh?« Der Mann blieb unbeeindruckt. »Und wie passen Sie in das Bild?«
»Sie haben mich abgeschossen, und ich steuerte Ihren Leuchtturm an.«
Der schmallippige Mann betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Weshalb wählten Sie gerade Emporium aus?«
»Um ehrlich zu sein, ich hatte keine große Wahl.«
»He, Tully«, rief Grundy vom Heck her, »ich kann an der Schlange keine Wunde feststellen.«
»Sieht so aus, als hätte sie das Genick gebrochen«, meinte ein anderer.
»So etwas habe ich noch nie erlebt«, wunderte sich Grundy. »Muß mit dem Kopf gegen ein Hindernis gerannt sein …«
Tully streckte die Hand aus. »Geben Sie her!« knurrte er. »Ich meine die Waffe, mit
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