Tu dir weh
nicht weit vom Gipfel. Eine Ziege blökt, ein paar Hütten aus Holz und Stroh, ein nacktes blondes Kind, das einer Kuh über das Maul streichelt, ein paar Frauen mit nackten Brüsten, die Holz von einem Teil der Senke zum anderen tragen, ein bärtiger, sonnengebräunter Typ voller Fantasy-Tattoos. Von Natur umringt, sitzen Tina und der Checker um einen Steintisch und reden mit zwei Frauen aus der Siedlung.
Ganzo macht einen auf Checker vor einer deutschen Hippiefrau, Tina redet mit der hässlichen Fünfzigjährigen daneben.
Stella und Donato tauchen am Horizont auf. Der Checker und Tina unterbrechen abrupt die Gespräche mit ihren Partnern und starren ihre Freunde mit weit aufgerissenen Augen an. Niemand sagt etwas.
Einer dieser sonnengebräunten und tätowierten, langmähnigen Typen zeigt den Neuankömmlingen, wo man schläft und welche Aufgaben anliegen, die für die Kommune zu erledigen sind. Stella ist mit Holzsammeln dran, Donato muss Dung schaufeln.
Was für ein absurder Scheißort. Waren Hippies nicht eigentlich faule Säcke?
Die Hütten sind zweistöckig. Es gibt allerdings keine Gastzimmer, sondern bloß Heuspeicher mit auf dem Boden ausgebreiteten Matratzen und schmutzigen, abgenutzten Decken.
Siehst du, Mama, ich hab’ dir doch gesagt, ich würde in einem Fünfsternehotel übernachten.
Den ganzen Tag lang wird gearbeitet, und abends wird am Steintisch vegetarisch gegessen, danach wird im Kreis gesessen und Gitarre gespielt, wie es der Hippie-Mythos verlangt.
Nach dem Krach mit Donato, der Besteigung des Everest und einem ganzen Tag Holz hin und her tragen mit angebrochenen Rippen bewirkt dieses bisschen Kräuter und Tomaten auf dem Tisch nichts, als einem den Magen zu öffnen und einen Riesenhunger auf Sachen zu machen, die es hier nicht gibt.
Donato sitzt neben Stella, neben ihm eine barbusige Frau, so dünn und ausgezehrt, dass sie echt wie eine Elfe aussieht. Ihnen gegenüber sitzen zwei langbärtige Typen und daneben Tina. Der Checker hat sich mit der Deutschen zurückgezogen. Ein Langhaariger spielt auf der Gitarre ein Pink-Floyd-Riff. Die einzige Beleuchtung kommtvon den Kerzen und dem Mond. Stella sinkt mit dem Kopf in den Gemüseteller.
»Eh«, sagt Tina zu Donato, »was ist denn mit der los?«
Die Elfen sind etwas besorgt. Die barbusige Elfe stürzt los, um Stella einen Kräutertee zuzubereiten. Jemand hebt Stellas Kopf hoch, und sie öffnet die Augen.
»Jungs, bin todmüde, ich esse gerade noch auf und gehe dann schlafen.«
»Ja, ich auch«, sagt Donato.
Ja, aber ich will wirklich schlafen.
Stella verschlingt alles, trinkt einen Schluck von dem widerlichen Gebräu, das bitterer ist als jede Arznei, wünscht allen eine gute Nacht, steht auf und geht ins Haus.
Es riecht nach Heu und Kuhdung. Es ist so kalt, dass die zerschlissene Decke nicht mal ausreicht, den kleinen Finger zu wärmen. Überall ist es staubig, und ein allergischer Ausschlag beginnt, ihre Arme zu überziehen. Sie muss niesen.
Leckt mich am Arsch, Scheißhippies, ich will nach Hause.
Sie legt sich auf die Matratze, die hart ist wie Stein. Zu allem Überfluss schmerzen ihre Rippen von Donatos Schlag, spürt sie den kaputten Knochen, der sich ungesund feucht anfühlt und permanent pocht.
Ich will in mein verficktes Bett.
Als die Müdigkeit endlich die Oberhand gewinnt und ihr die Augenlider zufallen, spürt sie plötzlich, wie sie etwas berührt.
Verdammt, eine Schlange.
Sie schreit. Reißt die Augen auf und erkennt den Freak, der gerade dabei ist, zu ihr ins Bett zu schlüpfen.
»Donato!«, brüllt sie ihn an. »Lass mich in Ruhe.«
Sie stößt ihn weg, stemmt sich von der Matratze hoch und läuftin den oberen Stock. Dort schläft sie im Sitzen ein, an eine Wand gelehnt, und am Morgen wacht sie um sechs Uhr auf, beim Morgengrauen und dem Krähen des Hahns.
Verfickter Scheißhahn.
Sie geht nach unten und stellt fest, dass die andern alle noch schlafen. Sie hört sie auf den Matratzen schnarchen und fasst einen Entschluss, atmet einmal tief ein und macht sich aus dem Staub, auf den Nachhauseweg.
Als sie den nächstgelegenen Bahnhof erreicht, überprüft sie zuerst die Anrufe auf ihrem Handy.
Nichts, er hat sich nicht gemeldet.
Sie setzt sich im Schneidersitz auf eine Bank, um auf den Zug zu warten, und wählt jene Nummer.
Ob er es sich anders überlegt hat?
Nach endlosem Klingeln antwortet eine breiige Stimme.
»Marco, ich bin’s, Stella. Du hast mir doch gesagt, du willst nach Bologna fahren.«
»Wie
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