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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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Schenkel und geht zurück zu Stella.
    »Du hast nicht mal zehn Meter geschafft, du bist eine Niete, ich hab’ dir ja gesagt, dass du nicht mitkommen sollst!« Stella versucht, erst mal Luft zu holen.
    Ja, aber woher sollte ich wissen, dass wir den Mount Everest besteigen würden?
    »Vielleicht«, sagt sie keuchend und stützt sich an einem Baum ab, »vielleicht hast du recht, und ich hätte nicht mitkommen sollen.«
    »Du«, sagt der Freak und wird lauter, »bist einer dieser Menschen, die alles auf einem Silbertablett serviert bekommen wollen. Du könntest nie einen Berg besteigen, ohne Strom und warmes Wasser leben, andere Lebensweisen ausprobieren.«
    Vielleicht interessiert mich das einfach nicht, oder was glaubst du?
    »Du«, fährt er fort, während Stella, die sich noch immer an dem Baum festhält, allmählich wieder zu Atem kommt, »du bist das Endprodukt unserer Gesellschaft: ein gleichgeschalteter Mensch, ein bürgerliches Mädchen, eine Internetsüchtige.«
    Und du bist der freakige Aufguss eines Siebzigerjahre-Hippies.
    »Du hast keine Gefühle.« Sein Gesicht läuft rot an. »Keine Empfindungen, keine Ideale.«
    Ihr gelingt es, das Hecheln zu unterdrücken und sich aufzurichten. »Donato, jetzt hör auf damit.«
    »Wie kannst du dir erlauben, mich so zu behandeln?«, sagt er. »Also, du kommst zu mir, vögelst mit mir, schließt dich meinem Ausflug an, und dann willst du mit dem Typen da durchbrennen! Hör zu, wenn er dich hier besuchen kommt, bringe ich ihn um!«
    Stella hat ihn noch nie so wütend gesehen.
    Donato führt sich auf wie ein Verrückter.
    »Also Schluss mit Peace and Love, ja?«
    »Nein, einen Dreck hast du verstanden. Wenn der Typ kommt, mache ich erst dich kalt und dann ihn.«
    »Was zum Teufel willst du von mir?«, schreit sie. »Ich entscheide doch nicht selber, wen ich mag und wen nicht!«
    Treffer, versenkt. Wenigstens hältst du jetzt die Klappe.
    Der Freak schaut Stella mit weit aufgerissenen Augen an wie ein Killer. Er macht einen Schritt zurück. Atmet die Bergluft, die Stille. Atmet das absolute Nichts, das sie umgibt. Er fixiert Stella mit blutunterlaufenen Augen und schlägt ihr plötzlich mit der Faust in die Rippen.
    Scheiße ... Donato, es wäre besser gewesen, wenn du weitergeredet hättest.
    Sie krümmt sich vor Schmerzen, fühlt das Herz bis zum Hals schlagen, die Rippenknochen knirschen, die Organe im Brustkorb dröhnen. Sie atmet tief aus. Er stolpert rückwärts, seine Augen sind wässrig, fast so, als bereue er seinen Wutausbruch.
    Dann kommt er wieder näher, um zu sehen, ob er ihr nicht zu sehr weh getan hat. Sie richtet sich auf, will ihm die Nägel durchs Gesicht ziehen, doch er hält ihre Handgelenke fest. Sie tritt wie wild nach ihm. Donato ist kurz davor, ihr richtig weh zu tun, da beginnt sie, die Augenlider in schnellem Rhythmus zu öffnen und zu schließen, ein Trick, den sie als Kind immer angewendet hat, wenn sie irgendetwas angestellt hatte und von ihrer Mutter keine Schläge bekommen wollte: mit den Augen zwinkern und die Luft anhalten, bis sie das Bewusstsein verliert und auf den Boden fällt.
    Jetzt kannst du Blut und Wasser schwitzen.
    Ihr Kopf knallt gegen eine feste, ebene Oberfläche. Die Kühle derWiese, im Hintergrund Gestammel, Lichtreflexe durch die Baumkronen, alles ist unwirklich. Wie eine außerirdische, fremde Welt, in der sie in diesem Moment versinkt.
    Der Freak kommt dem besinnungslosen Körper des Mädchens näher, hebt ihren Kopf hoch, umarmt sie. Weint.
    »Entschuldige, Stella, entschuldige, ich wollte dir nicht weh tun!«
    Sehr gut, Donato, weine. Weine.
    Sie lässt ihn noch eine Weile an seinen Schuldgefühlen verzweifeln, dann öffnet sie zögernd die Augen. Sie fasst die Hände des Freaks, spürt den Griff seiner verschwitzten Handflächen, erhebt sich vorsichtig und schüttelt die Erde aus den Haaren, von der Kleidung. Sie machen sich langsam an den Aufstieg: Donato mit Tränen in den Augen und Stella, die keucht.
    »Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es kein Zurück mehr gibt«, sagt der Freak, während er die Bäume und die Pflanzen vor ihm betrachtet.
    »Donato, du bedeutest mir sehr viel, aber auf eine andere Weise. Wenn du nur imstande wärst, uns als Freunde zu sehen ...«
    »Stella, du bist für mich keine platonische Freundin, du wirst es niemals sein.«
    Als sie den Gipfel erreichen, sind sie voller Schrammen. Donato hat Stella das letzte Stück auf dem Rücken getragen. Das Elfendorf liegt in einer Art Senke, aber

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