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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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spät ist es denn?«
    »Es ist acht Uhr und ich sitze im Hauptbahnhof von Bologna.«
    »Also, eigentlich ...«
    »Du kommst nicht mehr, oder? Hast du es dir anders überlegt?«, sagt sie und versucht, den Zorn und das Schluchzen zu unterdrücken.
    »Nein, die Sache ist so, mir sind ein paar Kleinigkeiten dazwischengekommen.«
    Klar: Sie haben dich ans Bett gefesselt, das Auto gestohlen und den Hausschlüssel in den Müll geworfen.
    »Was für Kleinigkeiten?«
    »Ich konnte nicht losfahren ...«
    »Hör mal zu.« Sie ist stinksauer. »Ich bin abgehauen, hab’ meineFreunde im Stich gelassen, bin völlig am Arsch, weil ich seit zwei Tagen nichts esse, hab’ Schmerzen am ganzen Körper, ich bin hier im Bahnhof, hab’ keine Ahnung, wo ich hin soll, ich kann in diesem Zustand nicht nach Hause kommen, Marco, ich ...«
    »Immer mit der Ruhe. Immer mit der Ruhe. Was ist denn das Problem? Komm einfach her.«
    »Zu dir?«
    »Nein, ich bin bei Carla. Nimm den Zug, steig in Sarignano aus und komm zu Carla.«
    »Der Zug fährt nicht über Sarignano, er hält nur in Bari, kannst du mich nicht abholen?«
    »Ich habe gerade kein Auto.«
    Die Autoausrede habe ich also erraten. Gib dir die Kugel.
    »Hör zu, ich nehme den Zug nach Bari, und wenn ich dort bin, versuche ich, dich anzurufen«, sagt sie.
    Warum ist er denn bitte bei Carla? Warum nicht bei sich zu Hause? Und warum hat er kein Auto?
    Stella steigt ohne Fahrkarte in den Zug, schmeißt sich auf die erste freie Gepäckablage. Der Zug fährt ab, und sie schließt endlich die Augen.
    Weckt mich, wenn wir angekommen sind.
    »Kommen Sie sofort da runter!«, brüllt ihr eine Stimme ins Ohr. Stella fährt zusammen und reißt die Augen weit auf.
    »Wer sind Sie?«
    »Wenn hier einer Fragen stellt, dann ich«, antwortet der Schaffner.
    Scheiße.
    »Wo sind wir?«
    »Bei Foggia.«
    Sie klettert herunter. Alle Sitze unten sind von alten Leuten besetzt.
    »Eine Frau wollte ihr Gepäck verstauen und hat mir Bescheid gegeben, dass die Ablage von jemandem blockiert würde.«
    Diese verflixten alten Säcke.
    »Haben Sie ein Ticket, Fräulein?«, fragt der Schaffner mit einem Schuss Sadismus in seiner Stimme.
    Stella kriegt eine Zweihundert-Euro-Strafe und setzt sich zum gemeinen Volk. Sie hat fürchterlichen Hunger, ein Loch im Magen, und die Rippen brennen in ihrem Brustkorb. Sie zieht ihr Shirt hoch und sieht das grüne Hämatom auf der rechten Rippe.
    Alle versuchen, mich fertigzumachen. An dem Tag, an dem ich mich rächen werden, könnt ihr euch auf was gefasst machen.
    Als sie in Bari aussteigt, ist es schon dunkel. Sie ruft Marco an. Sie nimmt noch einen Zug. Fannizardo. Rotullo. Sarignano delle Murge. Sie steigt aus und kann sich kaum erinnern, wo sie ist. Sie verlässt den Bahnhof von Sarignano delle Murge. Die Wüste.
    Er hat gesagt, er würde mich nicht warten lassen. Wunderbar.
    Sie setzt sich auf ihren Rucksack und rauft sich die Haare. Sie würde weinen, doch ihr fehlt auch dazu die Kraft. Ihr Haar ist verfilzt und staubig. Die Arme voller blauer Flecke. Das Gesicht erschöpft.
    Ich fühle mich wie eine Zigeunerin.
    Sie wartet mehr als eine halbe Stunde, in der sie Marco und Carla unaufhörlich anklingelt. Als sie schon die Hoffnung aufgegeben hat, sieht sie ein Auto auftauchen, nicht das von Marco, aber Carla und Marco sitzen drin.
    Na endlich, ich wollte schon »Bitte melde dich« anrufen.
    »Steig ein«, sagt er.
    Stella nimmt ihre Sachen und steigt ein.
    Sie schauen sie an wie eine Außerirdische.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, fragt Carla.
    »Du bist so abgemagert!«, sagt Marco.
    »Nicht nur das ...« Stella zieht das Shirt hoch und zeigt den blaugrünen Fleck auf den Rippen. Sie sind wie versteinert.
    »Was hast du denn angestellt?«
    Stella starrt Marco mit hasserfüllten Augen an.
    »Wenn du mir sagst, dass du zu mir nach Bologna kommst, und ich vorhabe, mit dir abzuhauen, dann gehört es sich so, dass ich den anderen Bescheid sage, dass ich abhauen werde. Die Worte, die man spricht, haben Konsequenzen. Worte haben ein Gewicht. Und das hier sind die Folgen.«

EINEN KÖRPER TEILEN
    Das Bett, in dem sich Marco und Stella kurz darauf wiederfinden, ist weder das von Carla noch das von Marco. Ihre Körper verknoten sich ineinander, stoßen gegeneinander, krümmen sich. Die nackten Muskeln strecken sich, ihre Haare wogen über sein Gesicht. Er hält sie fest an den Hüften und stößt sein Becken gegen ihres. Sie lässt sich packen, wie etwas, das mit Gewalt genommen

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