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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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Weihnachtsstimmung mit leise rieselndem Schnee. Pferdeschlitten mit klingenden Glöckchen gibt ’ s nur in Sophias Bilderbüchern. In der Wohnung herrscht sommerliche Stimmung. Badesachen, Shorts und T-Shirts, keine Wollpullover, keine dicken Socken, keine Winterstiefel. Markus und Michael packen Koffer. Wer fliegt mit Sophia?
    Alle drei?
    Das Wohnzimmer holt uns alle in die wirkliche Jahreszeit zurück. Neben dem schwarzen Ledersofa ein Weihnachtsbaum. Geschmückt mit roten Kerzen, roten Äpfeln, Holzspielzeug. Ja, in diesem Haushalt lebt eben auch ein Kind. Aus dem CD-Player deutsche Weihnachtslieder vom Thoma nerchor. Und bei Einbruch der Dunkelheit ein deutsches Weihnachtsfest. Nur der Gang in die Kirche fehlt.
    Markus spielt Gitarre, Michael spielt Querflöte, Vera singt, Sophia hat rote Backen, reißt das Papier von ihren Paketen und versteckt sich darin. Die Puppen und Autos, Bücher und Klötze interessieren sie weniger.
    Ein schöner Abend, ein gemütlicher Abend. Wo ist er? Noch im Theater? Oder schon abgereist?
    Ich spüre ein seltsames Ziehen in der Herzgegend... habe ständig das Ohr an der Tür ... ich wünsche mir, dass er kommt. Mensch, Zeno!
    Vera und Michael kochen. Nein, keine deutsche Weihnachts gans. Es gibt Lammkeule mit grünen Bohnen und Kar toffelgratin. Zum Nachtisch Mousse au chocolat – ausdrück licher Sophiawunsch.
    Dann, irgendwann und viel zu spät, schläft sie ein, mit Zeno Zimmermanns Plüschteddy im Arm. Ich sitze noch an ihrem Bett, ihre Hand in meiner Hand. Da kommt Vera rein.
    « Ciao, Zeno!», sagt sie, küsst mich rechts und links und ist weg.
    Ein seltsames Volk, diese Leute hier. Ich bin total froh, dass es sie gibt. Aber ich weiß immer noch nicht, wer hier eigent lich wirklich lebt. Sophia, ja. Und die anderen drei?
    Die warme Hand, die gleichmäßigen, ruhigen Atemzüge schläfern mich ein. Ich muss mich losreißen, bevor ich auf dem roten Teppich einschlafe. Ich schleiche mich aus der Tür, hinaus in den Flur. Reibe mir die Augen. Aber ich schlafe nicht, ich träume nicht, und ich spinne auch nicht. Alles, was ich sehe, ist wahr. Vor mir, im gedämpften Licht des Flures, stehen zwei, die sich küssen. Leidenschaftlich und doch behutsam, sanft. Mit den Händen streichen sie über den Körper des anderen. Heftig, dann wieder vor sichtig, leicht... Ich muss mich an die Wand lehnen, sonst rutschen mir die Beine weg. Aber ich kann meinen Blick nicht mehr abwenden. Ich muss sie anschauen, immer wie der. In mir erwacht wieder ein Sehnen, ein Verlangen und diese seltsame Traurigkeit...
    So muss es sich anfühlen.
    Das Glück!
    Und das will ich. Auch für mich! Wenn ich jetzt nicht aufpasse, heul ich los. Was tue ich jetzt? Zurück in Sophias Zimmer?
    Da trennen sich ihre Körper, versinken ihre Blicke, und ich weiß nicht, warum ich jetzt, gerade jetzt husten muss. Spalt in der Erde, wo bist du?
    Aber er rührt sich nicht, tut sich nicht auf.
    Markus und Michael schauen mich an, schauen sich an, lächeln mir zu.
    «Trinken wir noch ein Glas zusammen, Zeno? Champagner zum Beispiel?», sagt Michael.
    Ich nicke. Dann schau ich sie an. Nicht flüchtig, nicht zaghaft. Nein, ich schaue ihnen mitten ins Gesicht. Ich will endlich wissen, wer von den beiden denn nun der Vater ist.
    Aber ich stelle keine Frage. Der Champagner vertreibt alle Gedanken. Sophia hat eben zwei Väter. Das gibt es auch.
    Das Hochgefühl des Abends verlässt mich nicht. Auch nicht am Morgen meines vorläufig letzten Schultages.
    «Leider!», sagt Tabea Rosenkranz, weil sie mir wieder mal zu einer Fünf verholfen hat.
    Sie wünscht mir alles Gute und ist wahrscheinlich froh, dass sie mich los ist. Einer von den geistig Minderbemittelten weniger.
    «Nach Weihnachten hätte ich endlich mehr Zeit gehabt !», sagt Eva. « Find ich nicht gut, dass du gehst!»
    Ich kann es noch gar nicht glauben !
    «Ich auch nicht!»
     
    Der Postkasten heute voller noch als sonst. Weihnachts grüße für Peter Zimmermann. Zwei Briefe für mich. Der türkis farbene Umschlag mit der schwarzen Tinte. Ich öffne den Brief schon unten im Flur.
     
    Lieber Zeno,
     
    ich kann es noch gar nicht glauben, dass du wirklich kommen wirst. Wir freuen uns sehr. Sag bitte rechtzeitig Bescheid, wann du ankommst, damit wir dich abholen können.
     
    In Liebe, deine Mama!
     
    Mir klopft das Herz, ja, ich werde sie anrufen müssen. Hoffentlich erwische ich den Anrufbeantworter!...
    Der zweite Brief ist ohne Absender. Krakelige Schrift auf

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