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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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ich. «Du warst ja ziem lich beschäftigt!»
    «Was meinst du?», sagt er.
    «Auf dem Parkplatz! Voll im Scheinwerferlicht!»
    «Vergiss es! Du weißt doch, just for fun, or just for mo ney!»
    Jetzt schaut er mich an. Mit diesem Wahnsinnsblau seiner Augen ... Ich guck schnell weg.
    «Komm, lass uns was trinken!»
    Er schleppt mich ab ins «Lenz». Wir besetzen unseren alten Tisch. Und eins weiß ich genau, mehr ist heute nicht drin. Kein Klobesuch, nicht allein, nicht mit ihm. Ein Grapefruit saft heute, mehr nicht!
    «Wie läuft bei dir das heilige Fest?», fragt er und bestellt einen Milchkaffee.
    «Da läuft gar nichts!», sage ich. «Bin nämlich allein, da schmücke ich mir keinen Baum!»
    «Ganz allein?» Leon lässt seinen Kaffeelöffel fallen. Schaut mich an, ohne sein Lächeln in den Mundwinkeln.
    «Wie wär ’ s», sagt er, «wenn du mir Asyl gewähren würdest? Wenn ich mir den schmuddeligen Bahnhof am Heili gen Abend vorstelle, dann krieg ich jetzt schon die Krise! Ist echt ein Problem für mich, dieser Tag!»
    Ich nehme einen Schluck von meinem bitteren Saft und schweige. Der Heilige Abend! Bis jetzt ist es mir gelungen, diesen Abend auszulöschen, ihn zu verdrängen, wenn er sich anmelden wollte. In diesem Jahr soll dieser Tag ausfal len. Muss er ausfallen. Zeno Zimmermann allein am Heili gen Abend! Das ist ein paar Nummern zu groß für mich!
    Heiligabend mit Leon!
    Ich w ä r nicht allein. Was könnte mir an einem Abend wie diesem alles zustoßen? Was würde ich tun, in einem Anfall von Einsamkeit? Ob Leon mich davor bewahren kann?
    «Na, was ist? Ich fänd ’ s toll. Und wenn du nicht mit mir allein sein willst, bring ich ein paar Freunde mit. Wir könnten gemütlich essen, uns ein paar Videos reinziehen. Wenn ich eine Wohnung hätte, Zeno, ich würde dich garantiert ein laden, bestimmt würde ich das tun!»
    Er schaut mich nicht an. Mit seinen Fingernägeln kratzt er tiefe Rillen in das weiche Holz des Tisches.
    «Mensch, Zeno, nun sag schon was! Ich krieg langsam echt die Panik, weil ich nicht weiß, wohin. Das ist wirklich nicht so witzig, am Heiligen Abend allein irgendwo herumzuhän gen. Und vom Fernsehturm springen möchte ich nicht! Noch nicht. Ich möchte mich frühestens mit 30 von dieser Welt verabschieden!»
    Greif zu, Zeno! Schnell, bevor du dich zulaufen lässt, weil du es allein nicht aushalten kannst. Egal, was passiert! Und was kann schließlich passieren? Spring hinein ins Leben. Umbringen wird dich eher die Einsamkeit. Dieser Leon nicht!
    «Wen willst du mitbringen?»
    «Vielleicht den Kuno, wenn er Zeit hat. Das ist der Typ, bei dem ich zurzeit wohne. Der ist Kellner im ‹ Chat Noir › . Kann sein, dass er Dienst hat. Und Bruno und Robert. Die arbeiten beim Figaro. Falls du einen Haarschnitt brauchst... w ä r doch ein gutes Weihnachtsgeschenk, oder?»
    «Wie viel Uhr?»
    «Um zehn?»
    «Soll ich was kochen?»
    « Das w ä r echt super!»
    « Dann seid pünktlich!»
    «Und als Dank?» Leon macht eine leichte Kopfbewegung. Richtung Klotür.
    «Ist schon in Ordnung!»
    «Du hast was gut!», sagt er.
    «Besondere Wünsche, was das Essen angeht?»
    Leon streicht sich seine Haare aus der Stirn, guckt ein wenig weggetreten, ein wenig ernst.
    «Vielleicht so ein richtiges deutsches Weihnachtsessen? Mit Gans oder Pute, Rotkohl und Knödeln. Zur Nachspeise Rote Grütze mit Sahne ... »
    Jetzt lächelt er. Und sein Lächeln ist anders als sonst. Ohne diesen leicht zynischen Zug. Kindlich und offen.
    «Findest du das blöd?»
    «Überhaupt nicht! Mein Weihnachtsgeschenk für dich: deut sches Weihnachtsessen! Geht in Ordnung!»
     
    Mein Vater ist abgeflogen. Am 7.1. wird er zurück sein, um mich pünktlich hinter die Klostermauern zu bringen.
    «Grüß deine Mutter!», sagt er und steckt mir fünf blaue Scheine in die Hand. «Reicht das für die beiden Wochen?»
    Geld ist zurzeit nicht mein Problem. Wirklich nicht.
    «Und ruf sie an, damit sie weiß, wann sie dich vom Bahnhof abholen kann!»
    Ja, ich werde sie anrufen müssen. Für einen Brief ist es jetzt schon zu spät. Und was sage ich ihr?
    Tut mir echt Leid, aber ich kann doch nicht kommen, hab was anderes vor. So ganz cool? Ob ich das bringe? Oder doch besser ein Telegramm?
    Aber noch hab ich Zeit. Bis morgen hab ich Zeit.
    Heute ist mein letzter Arbeitstag. Auch Sophia fliegt in die Sonne. Irgendeine der drei Omas hat ein Haus auf Lanz a rote.
    Draußen tobt der Dezemberregen. Wie alle Jahre wieder mal wieder keine

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