Tür ins Dunkel
entscheiden, was der Fall war. Dies war die erste Mahlzeit seit sechs Jahren, die Laura für ihre Tochter zubereitete, und nicht einmal Melanies deprimierender Zustand konnte diesen Augenblick verdüstern. Laura fühlte sich ganz als Mutter und Hausfrau, zum erstenmal seit langer Zeit. Sie hatte schon vergessen gehabt, daß die Mutterrolle genauso wichtig und befriedigend sein konnte wie ihre beruflichen Erfolge. Earl hatte den Tisch gedeckt und saß jetzt in Hemdsärmeln - aber mit Schulterhalfter -Melanie gegenüber. Er war in die Zeitung vertieft, und wenn er auf einen interessanten Artikel stieß, las er ihn Laura laut vor. Pepper lag gemütlich zusammengerollt in der Ecke neben dem Kühlschrank, eingelullt vom Summen und Vibrieren des Motors. Sie wußte, daß Arbeitsplatten und Tische in der Küche für sie tabu waren, und sie verhielt sich im allgemeinen ruhig und unauffällig, um nicht ganz aus dem Raum verbannt zu werden. Plötzlich stieß sie jedoch einen Schrei aus und sprang auf. Mit gesträubtem Fell und weit aufgerissenen Augen machte sie einen Buckel und fauchte wütend. Earl legte die Zeitung hin. »Was ist denn los, Mieze?«
Laura, die gerade den Salat anrichtete, drehte sich nach der Katze um. Peppers Ohren waren flach angelegt, die Lefzen zurückgezogen, die Zähne gebleckt. »Was hast du, Pepper?«
Die Katze starrte Laura einen Moment lang an, und ihre wilden Augen hatten nichts mehr von einem zahmen Haustier an sich.
»Pepper...«
Die Katze sprang mit einem Satz aus der Ecke hervor, stieß einen Schrei aus, sauste auf die Küchenschränke zu, schreckte plötzlich zurück, als hätte sie dort etwas Furchterregendes gesehen, rannte statt dessen auf die Spüle zu, fauchte laut und wechselte wieder die Richtung. Ihre Krallen schabten über die Fliesen. Sie drehte sich rasend im Kreis, jagte ihren eigenen Schwanz und machte einen gewaltigen Luftsprung. Sie peitschte mit ihren Krallen die Luft, führte auf den Hinterpfoten stehend eine Art Veitstanz auf, kam wieder auf alle vier Pfoten herunter, raste unter den Tisch, als renne sie um ihr Leben, zwischen den Stühlen hindurch, über die Schwelle, und verschwand im Eßzimmer.
Es war eine unglaubliche Vorstellung gewesen. Laura hatte so etwas noch nie erlebt.
Melanie zeigte keinerlei Reaktion auf das Geschehen. Sie saß noch immer mit geschlossenen Augen da, die Hände auf dem Schoß, den Kopf gesenkt.
Earl war von seinem Stuhl aufgestanden.
Irgendwo im Haus stieß Pepper einen letzten Angstschrei aus. Dann wurde es ganz still. Das Sign of the Pentagram war ein kleiner Laden in einem geschäftigen Viertel, das die südkalifornischen Hoffnungen und Träume perfekt widerspiegelte. Ein kleines Geschäft oder Restaurant neben dem anderen, geführt von Leuten aller Altersklassen und Rassen. Hier gab es Dinge für jeden Geschmack, für jedes Interessengebiet, Alltägliches und Exotisches: ein koreanisches Restaurant mit etwa 15 Tischen; eine feministische Buchhandlung; einen Lieferanten für handgearbeitete Messer; einen Laden für Homosexuelle; eine Trockenreinigung, einen Party-Service und einen Hersteller von Bilderrahmen; Delikatessengeschäfte; eine Buchhandlung, in der nur Fantasy und Science-fiction verkauft wurde; das Kreditbüro der Gebrüder Ching; ein winziges Lokal mit »amerikanisierter nigerianischer Küche< und ein anderes, das sich auf »französisch-chinesische Küche< spezialisiert hatte; einen Militaria-Händler, der alles außer Waffen anbot. Manche dieser Geschäftsleute wurden reich, andere schafften das nie, aber alle hatten Träume, und Dan hatte das Gefühl, daß der Ventura Boulevard in diesen frühen Abendstunden nicht nur von Straßenlaternen beleuchtet wurde, sondern auch von strahlenden Hoffnungen.
Er parkte einen knappen Block vom Sign of the Pentagram entfernt und schlenderte an den Fahrzeugen der verschiedenen Fernseh-und Rundfunkanstalten vorbei, an Streifenwagen und einem Leichenwagen. Eine Menschenmenge drängte sich auf dem Gehweg: neugierige Bewohner dieses Viertels; junge Leute, die Wert darauf legten, wie Penner auszusehen, aber vermutlich bei ihren Eltern in teuren Villen lebten; und sensationslüsterne Medienvertreter, deren Augen Dan immer an hungrige Schakale erinnerten. Er bahnte sich mit dem Ellbogen einen Weg durch die Menge, bemühte sich, nicht von den Fernsehkameras erfaßt zu werden und erreichte schließlich den Laden, dessen Fassade mit amateurhaft gemalten okkulter und astrologischen Symbolen
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