Tür ins Dunkel
so kühl gewesen, daß es nicht nur auf die offene Kühlschranktür zurückzuführen sein konnte. Und nachdem der Spuk vorüber war, erwärmte sich die Luft sofort wieder, obwohl der Kühlschrank noch immer offenstand. Aber was konnte es gewesen sein, wenn nicht ein Erdbeben? Ein Flugkörper, der die Schallmauer durchbrochen hatte? Aber das erklärte nicht die Kälte. Ein Geist? Er glaubte nicht an Geister. Wie zum Teufel war er überhaupt auf diese verrückte Idee gekommen? Vergangenen Abend hatte er sich im Fernsehen Spielbergs Poltergeist angeschaut; vielleicht lag es daran. Trotzdem überraschte es ihn, daß der Horrorfilm ihn offenbar so beeindruckt hatte, daß er ein übernatürliches Phänomen auch nur in Erwägung zog, obwohl eine vernünftige Erklärung doch nahelag.
»Nur ein Erdbeben«, versicherte er Laura, obwohl ei selbst alles andere als überzeugt davon war. Die Polizei ging davon aus, daß es sich bei dem Toten um Joseph Scaldone, den Ladeninhaber, handelte, weil alle Papiere in seiner Brieftasche auf diesen Namen lauteten, aber eine endgültige Identifizierung würde nur durch Fingerabdrücke oder den Vergleich zahnärztlicher Befunde möglich sein. Niemand, der Scaldone gekannt hatte, würde ihn wiedererkennen können, denn der arme Kerl hatte kein Gesicht mehr. Auch irgendwelche besonderen Kennzeichen wie Narben oder Muttermale würden nicht weiterhelfen, denn der ganze Körper war nur noch eine einzige blutige Masse. Gebrochene Rippen ragten zwischen den Hemdfetzen hervor, und ein spitzer Beinknochen hatte sowohl die Haut als auch die Hose durchbohrt. Scaldone sah aus wie ein zerquetschter Käfer.
Dan wandte sich von der Leiche ab und stieß fast mit einem Mann zusammen, dessen biologische Uhr mangelhaft synchronisiert zu sein schien. Er hatte das glatte, faltenlose Gesicht eines Dreißigjährigen, das graumelierte Haar eines Fünfzigjährigen und die gebeugten Schultern eines Rentners. Er trug einen dunkelblauen Maßanzug, ein weißes Hemd, eine dunkelblaue Krawatte und ein goldenes Krawattenkettchen anstelle einer Nadel oder eines Clips. »Sind Sie Haldane?« fragte er.
»Ja.«
»Michael Seames, FBI.« Sie gaben sich die Hand. Seames' Hand war kalt und etwas feucht. Sie gingen in eine Ecke, wo der Boden einigermaßen sauber geblieben war. »Mischt ihr jetzt in diesem Fall mit?« erkundigte sich Dan. »Wir wollen euch nicht verdrängen«, beruhigte Seames ihn. »Wir wollen nur mit von der Partie sein. Als Beobachter... zum jetzigen Zeitpunkt. Ich habe schon mit allen anderen gesprochen, die an diesem Fall arbeiten, und wollte nun auch Ihnen dasselbe sagen wie Ihren Kollegen. Halten Sie mich auf dem laufenden. Ich möchte über jede Entwicklung informiert werden, so unwichtig sie Ihnen auch erscheinen mag.«
»Aber welche Legitimation hat das FBI für diese Einmischung?«
»Legitimation? Einmischung? Auf wessen Seite stehen Sie, Lieutenant?«
»Ich meine, welche föderativen Statuten wurden gebrochen?«
»Sagen wir einmal, es geht um Interessen der nationalen Sicherheit.« Trotz des jugendlichen Gesichts waren Seames' Augen alt und wachsam wie die eines Raubtiers, das es seit dem Mesozoikum gibt und das deshalb alle Tricks kennt.
»Hoffritz arbeitete früher für das Pentagon«, sagte Dan. Er führte Forschungsprojekte durch, die vom Pentagon finanziert wurden.«
»Das stimmt.«
»Arbeitete er noch immer für das Verteidigungsministerium, als er ermordet wurde?«
»Nein.«
Die Stimme des Agenten war völlig ausdruckslos, und Dan wußte nicht so recht, ob der Mann log oder die Wahrheit sagte.
»Und McCaffrey?« fragte Dan. »Hatten seine Forschungsprojekte etwas mit der Landesverteidigung zu tun?«
»Für das Pentagon arbeitete er jedenfalls nicht.«
»Für das Ausland? Für die Russen?«
»Wir wissen es nicht«, erwiderte Seames. »Genau deshalb interessieren wir uns für diesen Fall. McCaffrey hatte Geld vom Pentagon bekommen, bevor er mit seiner Tochter verschwand. Wir haben uns damals auf Wunsch de' Verteidigungsministeriums um die Sache gekümmer und sind zu dem Schluß gekommen, daß er sich nicht mit irgendwelchen neuen, spektakulären Forschungsergebnissen abgesetzt hatte. Es schien sich um eine rein persönliehe Angelegenheit zu handeln -um das Vormund schaftsrecht für seine Tochter. Aber offenbar war McCaffrey doch in irgendeine wichtige Sache verwickelt - viel leicht sogar in eine gefährliche. Diesen Eindruck gewinn man jedenfalls, wenn man sich in jenem grauen Raum
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