Tür ins Dunkel
erfunden? Größenwahnsinnige Pläne geschmiedet, wie sie mit Hilfe allgemeiner Gehirnwäsche die Welt regieren könnten? Kleine Mädchen gefoltert? Der Drucker spuckte das fünfzehnte und letzte Blatt der Kundenliste aus, noch bevor Dan die fünfte Seite hatte überfliegen können. Er legte sie sorgfältig aufeinander, faltete sie und schob sie in seine Tasche. Das Verzeichnis enthielt fast 300 Namen, und er wollte es später gründlich studieren, zu Hause, bei einem Bier, wenn er sich besser konzentrieren konnte. Er fand eine leere Schachtel und legte verschiedene Dinge hinein, unter anderem auch die Adreßbücher von McCaffrey und Scaldone. Mit der Schachtel unter dem Arm durchquerte er den Laden, wo die gräßlich verstümmelte Leiche gerade in einem Plastiksack verstaut wurde.
Die Schar von Neugierigen war merklich kleiner geworden, vielleicht wegen des heftigen kalten Windes. Einige Reporter harrten noch frierend aus. Die schwere feuchte Luft deutete darauf hin, daß es in der Nacht wieder regnen würde.
Nolan Swayze, ein junger Polizist, der wegen seiner Ähnlichkeit mit Erik Estrada viele Hänseleien ertragen mußte, war vor dem Sign of the Pentagram postiert. Dan übergab ihm die Schachtel.
»Bringen Sie das Zeug ins East Valley. Das Schreibbüro soll den Inhalt der beiden Adreßbücher abtippen, und morgen früh soll jeder Beamte der Spezialtruppe eine Kopie davon haben.«
»Wird erledigt.«
»Dann ist da eine Diskette von einem IBM-Computer. Ich möchte, daß alle einen Ausdruck davon bekommen. Ferner wäre da ein Notizkalender.«
»Kopien für alle?«
»Sie kapieren schnell.«
Swayze nickte. »Ich will eines Tages Polizeichef werden.«
»Freut mich für Sie.«
»Meine Mutter wird sehr stolz auf mich sein.«
»Hier hätten wir noch einen Stapel Rechnungen...«
»Sie möchten, daß die Informationen möglichst platzsparend abgetippt werden.«
»Richtig.«
»Und jeder soll eine Kopie erhalten.«
»Vielleicht könnten Sie sogar Bürgermeister werden.«
»Und dieses Ding hier...«
»Es ist ein Scheckbuch«, erklärte Dan.
»Die Informationen auf den Belegen sollten abgetippt werden. Kopien an alle. Vielleicht könnte ich es sogar bis zum Gouverneur bringen.«
»Nein, der Job würde Ihnen nicht gefallen.«
»Warum nicht?«
»Sie müßten in Sacramento leben.«
»Verdammt, Sie haben recht! Ich ziehe die Zivilisation vor.«
Bevor sie zu Abend essen konnten, mußten die überall herumliegenden Trümmer des Radios zusammengefegt werden. Auch im Wasser für die Spaghetti schwammen Teile des zerstörten Gerätes. Laura schüttete es weg, säuberte den Topf und stellte frisches Wasser auf.
Als sie sich endlich zu Tisch setzten, hatte Laura keinen Hunger mehr. Der Gedanke an das Radio, das plötzlich zum Leben erwacht war, raubte ihr den Appetit.
Es roch köstlich nach Knoblauch, Tomatensauce und Parmesankäse, doch daneben stank es immer noch ein wenig nach verbranntem Plastik und heißem Metall. Und obwohl Laura wußte, daß es absurd war, wurde sie doch das beängstigende Gefühl nicht los, daß dieser Gestank von jenem dämonischen Wesen herrührte, das in das Radio gefahren war.
Earl Benton aß mehr als sie, aber nicht viel. Er redete auch nicht viel, blickte nur selten von seinem Teller auf, und auch das nur, um jene Stelle anzustarren, wo der Apparat gestanden hatte. Seine Augen hatten einen sehr nachdenklichen und verwirrten Ausdruck, und er wirkte nicht mehr so ruhig und gelassen wie am Nachmittag.
Melanie hatte wieder ihren völlig abwesenden Blick, aber sie aß mehr als die beiden Erwachsenen. Manchmal kaute sie langsam, manchmal schluckte sie mit wolfsartiger Gier vier oder fünf Bissen hintereinander, manchmal schien sie völlig zu vergessen, daß ein Teller vor ihr stand, und mußte aufgefordert werden weiterzuessen. Während Laura ihr gut zuredete und mit einer Papierserviette Tomatensauce vom Kinn abwischte, mußte sie an ihre eigene freudlose Kindheit denken. Ihre Mutter Beatrice war eine religiöse Eiferin gewesen, die Singen und Tanzen verbot und an Lektüre nur die Bibel und religiöse Traktate erlaubte. Sie hatte sich nach Kräften bemüht, aus Laura ein scheues Mädchen zu machen, das sich vor der Welt fürchtete und völlig zurückzog, und sie wäre wahrscheinlich hocherfreut gewesen, wenn Laura sich verhalten hätte wie Melanie jetzt. Beatrice hätte schizophrene Katatonie als Absage an die böse Welt und die Fleischeslust interpretiert, als eine innige
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