Tür ins Dunkel
Wagen, sondern blieb lauschend vor Regines Haustür stehen. Sein Verdacht, daß sie nicht allein gewesen war, erwies sich als berechtigt, als er eine Männerstimme hörte. Der Mann war wütend. Er brüllte; sie nannte ihn Eddie und antwortete ihm mit sanfter, einschmeichelnder Stimme. Das unverkennbare Klatschen eines heftigen Schlages war zu hören, gefolgt von Regines Aufschrei, der eine sonderbare Mischung aus Schmerz, Furcht, aber auch Genuß und Erregung bildete. Der Wind heulte so laut, und die Bäume ächzten und stöhnten, so daß Dan nicht jedes Wort verstehen konnte, das im Haus gesprochen wurde. Aber er schnappte doch genug auf, um zu wissen, daß Eddie wütend war, weil Regine zuviel ausgeplaudert hatte. Sie versuchte ihm zu erklären, daß sie gar keine andere Wahl gehabt hatte, als die Fragen des Polizisten zu beantworten. Er hatte Antworten gefordert, und sie war gewöhnt daran. Befehlen zu gehorchen, sie konnte gar nicht anders als gehorchen. »Verstehst du das denn nicht, Eddie?« Ihre Erklärung vermochte seinen Zorn nicht zu besänftigen. Er schlug sie wieder. Dan ging am Haus entlang, zum ersten Fenster. Er wollte einen Blick auf diesen Eddie werfen. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen sah er einen Teil des Wohnzimmers und einen etwa fünf und vierzigjährigen Mann mit rotem Haar und Schnurrbart und einem teigigen Gesicht. Der Kerl trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd, eine graue Strickweste und eine graue Fliege. Er hatte etwas von einem verwöhnten, verzogenen Kind an sich, und er plusterte sich auf wie ein Zwerghahn, so als glaubte er, daß Autorität von einer vorgewölbten Brust abhänge. Trotz seines Gehabes sah er schwach und weichlich aus, wie ein Lehrer, der seine Schüler nicht zu bändigen versteht. Niemand würde annehmen, daß er eine Frau schlug, und bei einer anderen Frau als Regine hätte er sich bestimmt nicht getraut zuzuschlagen, weil jede andere Frau vermutlich zurückgeschlagen hätte.
Mehr als alles andere ärgerte Eddie, daß Regine Dan von John Wilkes Enterprises erzählt hatte. Regine kniete mit gesenktem Kopf vor ihm, wie eine Vasallin, die sich vor ihrem Feudalherrn demütigt, und er hielt ihr seine Strafpredigt, untermalt von nervösem Gestikulieren und kräftigen Ohrfeigen.
John Wilkes Enterprises. Dan wußte, daß er einen weiteren Schlüssel zu diesem komplizierten Fall erhalten hatte.
Er ging zu seinem Auto, öffnete den Kofferraum und nahm eines der sieben Bücher von Albert Uhlander aus dem Karton. Regine hatte gesagt, daß ein Mann namens Albert sie nur ein einziges Mal besucht habe, ein Mann mit falkenartigen Gesichtszügen. Im gespenstischen Licht einer Straßenlaterne betrachtete Dan das Foto des Autors auf dem Schutzumschlag. Uhlanders Gesicht war lang und schmal, mit einer hohen Stirn und hervortretenden Backenknochen. Seine Augen waren kalt und durchdringend, was ihm zusammen mit der gebogenen Nase tatsächlich das Aussehen eines Falken oder eines anderen Raubvogels verlieh.
Es war also tatsächlich Uhlander gewesen, der Regine einmal besucht hatte, aber nicht, um wie die anderen Männer perverse sexuelle Bedürfnisse auszuleben, sondern vielleicht aus Neueier, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß es diese Frau wirklich gab und daß Hoffritz sie total versklavt hatte. Vielleicht hatte Uhlander einen Beweis für Hoff ritz's Genialität haben wollen, bevor er sich an dem Projekt beteiligte, das in der Folterung eines kleinen Mädchens bestand. Wie dem auch sein mochte - Dan wollte jedenfalls mit Uhlander sprechen, genauso wie mit Mary O'Hara, mit Coopers Frau, mit Scaldones Frau - falls er verheiratet gewesen war -, mit den Geschäftsführern und/oder Besitzern von John Wilkes Enterprises, mit dem silberhaarigen distinguierten Perversen, der Regine regelmäßig besuchte und sich von ihr >Daddy< nennen ließ, und mit den anderen Männern, die Regine mißbrauchten -Eddie, Shelby und Howard.
Er legte das Buch in den Karton zurück, schloß den Kofferraum und stieg in seinen Wagen, als die ersten dicken Regentropfen aufs Pflaster trommelten. Er hatte Scaldones Kundenliste in seiner Tasche und war ganz sicher, daß er darauf die Familiennamen von Eddie, Shelby und Howard finden würde; aber das Licht war hier schwach, er war müde, seine Augen brannten, und er wollte sich unbedingt noch mit Laura McCaffrey unterhalten; deshalb ließ er die Liste in seiner Tasche und fuhr los. Es war 22.44 Uhr, als er Lauras Haus in Sherman Oaks
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