Tür ins Dunkel
versinken. Ihre einzige Hoffnung -zumindest mußte es ihr so vorkommen -bestand darin zu glauben, daß Willy noch lebte.
»Er ist irgendwo dort draußen«, sagte sie. »Ich fühle es.«
Mit einem zutiefst deprimierten Gefühl völliger Hilflosigkeit wandte sich Dan von ihr ab und ging auf die Tür zu. Sie sprang rasch vom Sofa auf und rief: »Warten Sie!« Er drehte sich um. »Sie könnten... mich haben«, schlug sie vor. »Nein, Regine.«
»Sie könnten mir antun, was immer Sie wollen.«
»Nein.«
»Ich werde Ihr Haustier sein.« Er setzte seinen Weg zur Tür fort. »Ihr kleines zahmes Haustier.« Er wäre am liebsten gerannt.
Sie holte ihn ein, als er die Tür öffnete. Ihr Parfüm war berauschend. Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Ich mag Sie.«
»Wo lebt Ihre Familie, Regine?«
»Ich bin scharf auf Sie.«
»Ihre Eltern -wo leben sie?« Sie legte ihre schmalen warmen Finger an seine Lippen, zeichnete seinen Mund nach. Er schob ihre Hand weg. »Ich mag Sie wirklich, ich mag Sie sehr.«
»Vielleicht könnte Ihre Familie Ihnen helfen.«
»Ich mag Sie.«
»Regine...«
»Schlagen Sie mich, tun Sie mir weh...« Er schob sie beiseite wie eine Leprakranke: energisch, angewidert, nicht frei von der Furcht, angesteckt zu werden. »Als ich damals im Krankenhaus lag«, erzählte sie, »besuchte Willy mich jeden Tag. Er verschaffte mir ein Einzelzimmer und schloß immer die Tür, wenn er kam, damit wir allein waren. Und dann küßte er meine blauen Flekken, Jeden Tag kam er und küßte jeden blauen Flecken. Sie können sich nicht vorstellen, wie herrlich seine Lippen sich anfühlten, Lieutenant. Sobald sie mich berührten, hatte ich keine Schmerzen mehr, und ich erlebte eine grenzenlose Lust und hatte einen Orgasmus nach dem anderen ...« Dan trat rasch über die Schwelle und schlug hinter sich die Tür zu.
26
Kalte Windstöße fegten Abfälle über die nächtlichen Straßen. Regen lag in der Luft. Earl brachte Laura und Melanie in eine Wohnung im Parterre eines dreistöckigen Hauses in Westwood, südlich des Wilshire Boulevards. Die Wohnung bestand aus Wohnzimmer, Eßdiele, Küche, Bad und Schlafzimmer, aber sie wirkte größer, als sie in Wirklichkeit war, denn die großen Fenster gingen auf einen Park hinaus, der mit grünen und blauen Lämpchen hell beleuchtet war. Earl erklärte Laura, daß die Wohnung der Detektei California Paladin gehörte und als »sicheres Haus« Verwendung fand. Die Agentur wurde gelegentlich beauftragt, Kinder und Jugendliche aus den Händen fanatischer religiöser Sekten zu befreien, und dann wurden sie in dieser Wohnung einige Tage lang deprogrammiert, bevor sie zu ihren Eltern zurückkehrten. Auch Frauen, die von ihren Ehemännern bedroht wurden, fanden hier vorübergehend Zuflucht; mehrmals hatte diese Wohnung als Treffpunkt bei geheimen Verhandlungen konkurrierender Firmen gedient, weil man hier keine Angst vor elektronischen Abhöranlagen zu haben brauchte. Ein Baptisten-Geistlicher hatte sich hier eine Zeitlang versteckt, als eine Jugendbande ihm nach dem Leben trachtete, weil er vor Gericht gegen ein Mitglied ausgesagt hatte. Und eine berühmte Filmschauspielerin hatte sich an diesen Ort zurückgezogen, um sich von einer heimlichen Krebsoperation zu erholen. Jetzt hatten Laura und Melanie in diesen bescheidenen Räumen Aufnahme gefunden, zumindest für eine Nacht. Earl hoffte, daß dieses Versteck nicht nur vor gefährlichen Jugendbanden, neugierigen Reportern und tobenden Ehemännern Schutz bot, sondern auch vor jener mysteriösen Macht, die Melanie bedrohte. Er drehte die Heizung auf und ging in die Küche, um Kaffee zu machen. Laura versuchte, ihre Tochter für heiße Schokolade zu interessieren, aber es gelang ihr nicht. Melanie ging wie eine Schlafwandlerin zum größten Sessel im Wohnzimmer, setzte sich, zog die Beine hoch und starrte auf ihre Hände hinab, die sie faltete, rieb, massierte, zu Fäusten ballte und wieder öffnete. Sie beobachtete ihre Hände so intensiv, als wären sie nicht ein Teil von ihr selbst, sondern zwei kleine emsige Tierchen, die auf ihrem Schoß spielten. Laura hatte auf dem Weg vom Parkplatz in die Wohnung gefroren; sie genoß deshalb den heißen Kaffee auch wenn er gegen jenes Frösteln nichts half, das nicht von Wind und Kälte herrührte, sondern von der unerwarteten Begegnung mit etwas Unbekanntem. Während Earl seine Agentur anrief, um zu melden, daß sie das Haus in Sherman Oaks verlassen hatten, stand Laura am Fenster, den
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