Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
Arbeitskräfte aus Anatolien nach Deutschland brachten, am europäischen Horizont aufgetaucht, beginnt die türkisch-europäische Geschichte doch bereits tausend Jahre zuvor. Obwohl Geschichte natürlich immer ein Prozess ist, gibt es für den Eintritt der Türken ins europäische Geschehen doch ein Datum, das diesen Beginn praktisch markiert. Im Jahr 1071 schlug ein Heer seldschukischer Türken die Truppen des byzantinischen Kaisers Romanos IV . Diogenes unweit des Van Sees in Malazgirt, also an der heutigen türkisch-iranischen Grenze, vernichtend. Mit dieser Schlacht verlor das oströmische Reich Byzanz den Krieg um Anatolien. Der Kaiser musste innerhalb weniger Jahre eine Verteidigungsstellung nach der anderen räumen, so dass die Dynastie der seldschukischen Türken, die von Zentralasien aus über Persien immer weiter nach Westen vorgestoßen waren, weite Teile der anatolischen Hochebene für sich in Besitz nehmen konnte. Bereits knapp 100 Jahre nach der Schlacht von Malazgirt gab es ein Sultanat der anatolischen Seldschuken, die ihre Hauptstadt in Konya errichteten und für eine kurze, aber bis heute noch sichtbare Blütezeit in Anatolien sorgten. Die ersten Moscheen wurden gebaut, unter anderem das berühmte, in jedem Reiseführer erwähnte, geriffelte Minarett in Antalya, und eine ganze Kette von Karawansereien, von denen etliche bis heute überdauert haben.
Die nach der Schlacht von Malazgirt stattgefundene Einwanderung türkischer Nomadenstämme nach Anatolien markiert den Beginn der türkischen Präsenz in Europa. Wie immer heute über die Grenzen Europas diskutiert wird, um 1000 nach Christus gab es überhaupt keinen Zweifel daran, dass Byzanz ein Teil Europas ist. Im Gegenteil, zu der Zeit war Konstantinopel (das heutige Istanbul) unstrittig die größte und reichste Stadt Europas und bis zum sogenannten Schisma, also der Trennung der christlichen Kirche in eine byzantinisch-orthodoxe und römisch-katholische Abteilung, die 1050 , nur 20 Jahre vor der Schlacht an der iranischen Grenze stattgefunden hatte, war Byzanz auch das Zentrum der gesamten Christenheit. Und das bereits seit 700 Jahren, seit der Gründung Konstantinopels im Mai 330 .
Der römische Kaiser Konstantin der Große hatte, bevor erKonstantinopel zu seiner neuen Hauptstadt machte, das Christentum im Römischen Reich erstmals zu einer anerkannten, gleichberechtigten Religion neben den anderen Religionen im Einflussbereich Roms erklärt. Dieser Schritt erfolgte angeblich, nachdem ihm der Gott der Christen bei einer entscheidenden Schlacht gegen einen seiner vielen Rivalen, die er auf dem Weg zum Alleinherrscher zuvor beseitigen musste, durch ein Zeichen am Himmel beigestanden hatte. Die Legende dient als Erklärung dafür, warum Konstantin sich in seinem Machtkampf auf die wachsende Zahl der Christen im Römischen Reich stützte und sie zu nützlichen Verbündeten machte, um schließlich auch die Hauptstadt des Reiches formal von Rom nach Byzanz, in den Osten des Reiches, in dem die Christen bereits die Mehrheit der Bevölkerung stellten, verlegte. So wurde dann im neu gegründeten Konstantinopel, einer bis dahin griechischen Stadt am Bosporus, das Christentum im Laufe weniger Jahrzehnte auch offiziell zur Staatsreligion und die Tempel der alten römischen und griechischen Götter nach und nach vollständig zerstört, während Rom und das Weströmische Reich unter dem Ansturm der Barbaren (germanischer Stämme aus den Norden) zerfielen und für Jahrhunderte kaum mehr eine Rolle spielten.
Damit wurde Konstantinopel als Hauptstadt Ostroms für die kommenden tausend Jahre zum Zentrum der hellenistisch-römischen Kultur, während in Westeuropa nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft das »dunkle Zeitalter« begann.
Erst der Beginn der Kreuzzüge markierte den Wiederaufstieg Westeuropas und zeigte, dass der Westen um die erste Jahrtausendwende, 700 Jahre nach dem Fall Roms, erstmals wieder in der Lage war, nach außen zu expandieren. Der Anlass für den ersten Kreuzzug ab 1095 war nichts anderes als ein Hilferuf des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos an Papst Urban II ., er möge dem christlichen Kaiser des Ostens Truppen zur Verteidigung gegen die Seldschuken schicken. Urban nutzte diesen Hilferuf geschickt, um seine eigene Position als Papst und Führer der westlichen Christenheit auszubauen, und trommelte deshalb nicht nur für eine Hilfsaktion zugunsten von Byzanz, sondern verband das Ganze mit einem Aufruf zur
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