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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Augenbrauen, der die blaue Montur trug, zu erklären, welcher Art ihre Beziehung zu dem Chiffrierer Pjotr Jablokow war.
    »Mein Gott, dann lassen Sie ihn doch herkommen, er wird es Ihnen bestätigen«, sagte sie zum wiederholten Male, worauf der Oberstleutnant nur antwortete: »Alles zu seiner Zeit.«
    Besonders interessierten den Gendarmen die Einzelheiten ihrer Begegnung mit »der Person, die sich als Titularrat Fandorin« ausgab. Er notierte den Widiner Jussuf Pascha, den Kaffee, den Fandorin trinken mußte, die im Nardy-Spielgewonnene Freilassung. Besonders lebhaft wurde der Oberstleutnant, als er erfuhr, daß der Freiwillige mit den Baschi-Bosuks türkisch gesprochen hatte, und er wollte unbedingt wissen, wie das geklungen hatte, gebrochen oder fließend. Allein für die Klärung dieses Blödsinns ging wohl eine halbe Stunde drauf.
    Als Warja schon kurz vor einem tränenlosen hysterischen Anfall stand, wurde die Tür der Lehmhütte, in der die Sonderabteilung untergebracht war, jählings aufgerissen, und herein kam, nein stürmte ein hochmütiger General mit gebieterischen Augen und üppigem Schnauzbart.
    »Generaladjutant Misinow«, rief er schallend von der Tür und maß den Oberstleutnant mit strengem Blick. »Kasansaki?«
    Der Gendarm, wie vom Donner gerührt, nahm stramme Haltung an und bewegte die Lippen. Warja starrte mit großen Augen auf den obersten Satrapen und Henker der Freiheit – diesen Ruf hatte er bei der fortschrittlichen Jugend, der Chef der Dritten Abteilung und Chef des Gendarmeriekorps Lawrenti Arkadjewitsch Misinow.
    »Jawohl, Hohe Exzellenz«, krächzte Warjas Beleidiger. »Oberstleutnant Kasansaki vom Gendarmeriekorps. Habe früher in der Kischinjower Verwaltung gedient und bin jetzt zum Chef der Sonderabteilung beim Stab der Westgruppe ernannt. Verhöre soeben eine Festgenommene.«
    »Wer ist sie?« Der General zog eine Braue hoch und warf einen mißbilligenden Blick auf Warja.
    »Warwara Suworowa. Sie behauptet, aus privatem Anlaß hergekommen zu sein, um ihren Bräutigam zu treffen, den Chiffrierer Jablokow von der Operationsabteilung.«
    »Suworowa?« fragte General Misinow interessiert. »Sind wir womöglich verwandt? Mein Urgroßvater mütterlicherseitshieß Alexander Wassiljewitsch Suworow-Rymnikski.«
    »Ich hoffe nicht«, sagte Warja frostig.
    Der Satrap lachte verstehend auf und beachtete die Frau nicht mehr.
    »Und Sie, Kasansaki, machen Sie mir nicht dauernd blauen Dunst vor. Wo ist Fandorin? In der Meldung heißt es, er sei bei Ihnen.«
    »Jawohl, er steht unter Arrest«, meldete der Oberstleutnant schneidig und fügte mit gesenkter Stimme hinzu: »Ich habe Grund zu der Annahme, daß er unser langerwarteter Gast Anwar Effendi ist. Alles paßt zusammen, Hohe Exzellenz. Osman Pascha und Plewna, das ist eindeutig eine Desinformation. Raffiniert hat er sich eingeschlichen …«
    »Dummkopf!« bellte Misinow so drohend, daß der Oberstleutnant den Kopf einzog. »Schaffen Sie ihn sofort her! Auf der Stelle!«
    Kasansaki stürzte davon. Warja drückte sich gegen die Stuhllehne, aber der aufgebrachte General hatte sie vergessen. Er schnaufte laut und trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte, bis der Oberstleutnant mit Fandorin zurückkehrte.
    Der Freiwillige sah erschöpft aus, unter den Augen lagen dunkle Ringe, er hatte wohl die letzte Nacht nicht geschlafen.
    »G-guten Tag, Lawrenti Arkadjewitsch«, sagte er lasch und machte Warja eine leichte Verbeugung.
    »Mein Gott, Fandorin, sind Sie das wirklich?« rief der Satrap. »Sie sind ja nicht wiederzuerkennen. Zehn Jahre älter sehen Sie aus! Nehmen Sie Platz, mein Lieber, ich freue mich sehr, Sie zu sehen.«
    Er nötigte Fandorin auf einen Stuhl und setzte sich selberso hin, daß Warja nun hinter ihm saß. Kasansaki war an der Tür in der Position »stillgestanden« erstarrt.
    »In was für einer Verfassung sind Sie jetzt?« fragte General Misinow. »Ich möchte Ihnen meine tiefste …«
    »Lassen Sie nur, Hohe Exzellenz«, unterbrach ihn Fandorin höflich, doch entschlossen. »Ich bin ganz in O-ordnung. Sagen Sie mir lieber, hat Ihnen dieser H-herr« (er nickte geringschätzig zum Oberstleutnant hin) »das von Plewna ausgerichtet? Jetzt ist ja jede Stunde kostbar.«
    »Ja. Ich habe hier eine Anordnung des Oberbefehlshabers, doch ich wollte mich vorher überzeugen, daß Sie es wirklich sind. Also hören Sie.« Er nahm ein Blatt aus der Tasche, setzte das Monokel ins Auge und las: »An den Chef der Westgruppe

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