Türme Der Dämmerung
sie.
»Das war ich nicht.«
»Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht beschuldigen dürfen.« Ihre Stimme klingt sanft.
»Manchmal bin ich es, doch jetzt nicht.«
»Warum magst du mich?« Ihre Augen schauen auf die dunkelgrünen Fluten des Meers unterhalb der Klippen.
»Nicht leicht zu erklären …« Er seufzt, da er weiß, dass sie nicht ablassen wird. »Du bist ehrlich, und du hasst Intrigen. Ohne deine inneren Qualen könntest du über die Absurdität der Dinge lachen. Wenn ich nicht wäre, könntest du es auch jetzt noch.«
»Es liegt nicht an dir. Es ist, weil ich an dich gebunden bin.«
»Wenn du nicht so gebunden wärst …«
»Creslin, irgendwo tief im Innern ist dieser Mann, der töten muss, sehr lieb, aber du weißt, dass uns zuviel Blut und Tränen aneinander binden. Selbst der größte Ordnungs-Magier könnte das Band nicht trennen. Nur mein Tod wird das tun, und ich bin zu jung, um den Tod in Betracht zu ziehen.«
Er seufzt und greift wieder zum Hammer. Sie geht fort, um den nächsten Stein zu holen.
LXXX
C reslin schüttelt den Kopf. Es ist heller Tag. Längst hätte er sich erheben sollen.
Megaera? Wo ist sie?
Er setzt sich auf und blickt auf die geschlossene Tür zwischen ihren noch unfertigen Gemächern. Bis jetzt sind nur die beiden Schlafräume auf der dem Meer zugewandten Seite der Residenz halbwegs fertig. Sollte es in diesem trockenen Teil der Insel regnen, würden die Tropfen durch das noch nicht ganz geschlossene Dach hereinfallen.
Durch Fenster ohne Glas und Läden sieht er die grauen Wolkenschleier, die einen weiteren heißen und regenlosen Tag versprechen.
»Zieh die Lederkleidung an, Creslin«, ruft Klerris durch die Tür.
Der Mann mit dem Silberhaar öffnet die Tür. »Wo ist Megaera?«
»Draußen im Waschraum.« Wie üblich sind die Gewänder des Schwarzen Magiers makellos sauber.
»Warum kommst du so früh?«
»Um dir zu sagen, dass dein Schiff einläuft.«
»Ich habe kein Schiff.« Der Mitregent über Recluce möchte zum Waschraum. Kaltes Wasser dürfte ihm neue Energie verleihen.
»Es ist ein Küstenschiff aus Suthya mit dem Banner Westwinds und dürfte am Vormittag in Landende festmachen.« Klerris wirkt fröhlicher und lebhafter, als Creslin ihn je gesehen hat. Mühelos hält der Schwarze Magier mit dem jüngeren Mann Schritt.
»Gut. Ich mache mich schnell fertig.«
Ohne auf Megaeras Gemurmel hinter der Trennwand zu achten, beginnt er sich zu rasieren. Noch ehe er fertig ist, zieht sich die Rothaarige mit nassen Locken zurück, nur in ein Handtuch gewickelt, das ihre wohlgeformten Schenkel bloß spärlich verhüllt.
»Ich würde es schätzen, wenn du damit auch aufhören würdest.«
Die Dusche ist eiskalt, da Megaera das von der Sonne erwärmte Wasser verbraucht hat. Creslin schaudert es. Er ist zu müde, um sich abgehärtet und tugendhaft zu geben.
»Du treibst dich zu sehr voran.« Klerris betrachtet den Himmel über dem Meer im Osten.
»Warum nicht? Zumindest falle ich dann ins Bett und träume nicht. Ich kann auf ein weiteres Feld, einen neuen Obstgarten oder eine neue Reihe behauener, in Mörtel gefasster Steine blicken. Oder ich gewinne wieder einen winzigen Bruchteil an Verständnis der gewaltigen Kräfte der Ordnung.«
»Du musst mit Lydya sprechen.«
»Schon gut, ich werde mit ihr sprechen. Wo ist sie?«
»Auf dem Schiff. Woher wüsste ich sonst, wann es festmacht?«
»Das hatte ich nicht bedacht.« Creslin wickelt ein Handtuch um die Lenden und geht zurück ins Schlafgemach.
Klerris bringt beiden gleich darauf Birnenäpfel und Brot. Creslin verzehrt alles, während er auf der niedrigen Mauer der Terrasse sitzt, die den Weg zum Gästehaus flankieren soll, das vielleicht nie gebaut wird.
Wie Creslin isst Megaera stumm. Sie nimmt immer nur kleine Bissen.
Er schaut sie nicht an, denn er kann sich diese Blicke nicht mehr leisten, da ein jeder nur deutlich macht, wie wunderschön er sie findet.
Sie gehen stumm zur Pier hinab.
Ein Begleitboot wird zu Wasser gelassen und legt vor dem Segelschiff an der Pier an. Mit seinen drei Masten ist das Schiff aus Suthya das größte, das Creslin je gesehen hat. In der leichten Brise gleitet es in den Hafen.
Creslin schickt die Sinne zu den Winden aus und sucht das Meer hinter dem Hafen ab. Doch er findet keine weiteren Schiffe und spürt nirgends das Chaos-Weiß, das die Magier aus Fairhaven begleitet.
Als er wieder ganz in seinen Körper zurückkehrt, springen zwei Seeleute vom Schiff auf die
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