Türme Der Dämmerung
auf den Scheiben, ehe die Schafe heimgetrieben und die Wintervorräte eingelagert wurden. Sie blickt vom klaren blauen Himmel draußen zurück auf das Pergament, auf dem über der Unterschrift Weindres, der Herrscherin Suthyas, das königliche Siegel Suthyas gedruckt ist. Wieder nimmt sie das Dokument hoch. Schließlich erhebt sie sich und geht zur Tür des Arbeitszimmers.
»Holt mir Llyse und Aemris.«
Ein Wachposten eilt davon.
Die Marschallin liest nochmals das Dokument, runzelt die Stirn und wartet. Ihre Augen wandern nach draußen, wo es außerhalb der grauen Granitmauern für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm ist. Llyse und Aemris treten ein.
Sie reicht Llyse das Pergament. »Lies das und sage mir, was du denkst.«
Die Frauen warten, bis Llyse die kunstvoll geschriebenen Worte liest.
»Es ist ein Vorschlag, wegen eines dauerhaften Einsatzes der Garde zu verhandeln. Scheint das übliche Vorgehen zu sein. Doch diese Sache bezüglich des Wetters ist befremdlich.«
»Warum? Das Wetter ändert sich doch zurzeit.«
»Glaubst du diese Gerüchte tatsächlich?«
Die Marschallin schnaubt empört. »Glaubt ihr auch, dass Creslin ganz allein eine Bande Räuber getötet hat? Oder dass er eine gesamte hamorische Flotte versenkte?«
»Eine Bande von Räubern könnte er durchaus vernichten«, erklärt Aemris.
»Und auch die Schiffe, ja!« erklären Llyse und Aemris wie aus einem Mund.
Die Marschallin nimmt das Pergament wieder an sich.
»Das ist doch ein verschleiertes Ultimatum. Man behauptet, Creslin – Euer Sohn – habe die Störungen bewirkt, die mehr Schutz für die Ernte und Lagerhäuser in der Grenzregion zwischen Sarronnyn, Analaria und Westwind erfordern. Und sie wünschen sich uns als Puffer. Selbstverständlich bezahlen sie uns dafür.«
»Doch nicht sehr gut«, meint Llyse.
»Genug, um hinzugehen und zu verhandeln.«
Schweigen breitet sich aus.
»Es gefällt mir ganz und gar nicht, aber dieser Sommer war einer der kümmerlichsten, die ich je erlebt habe. Und der Winter scheint nicht viel besser zu werden. Weindre hat irgendetwas mit den Verlusten zu tun, die wir in Südwind hinnehmen mussten.«
»Warum lässt du dann die Abteilung dort?«
»Haben wir eine bessere Einkommensquelle – im Augenblick?«
Llyse schüttelt den Kopf. »Mir gefällt das nicht.«
»Mir ebenso wenig. Das ist ein weiterer Grund, mit Heldra nach Suthya zu reiten …«
»Heldra?«
Die Marschallin schaut Aemris an. »Weil, falls mir etwas zustoßen sollte, was die Legende verhüten möge, Westwind und Llyse dich brauchen.«
Llyse schluckt. »Könnte nicht jemand anderer mitgehen?«
»Weindre würde mit keinem anderen sprechen.« Dylyss deutet auf das Pergament. »Das hat sie klar ausgedrückt.«
CXV
» I ch habe mich bemüht, vorsichtig zu sein. Megaera hat mir geholfen, dennoch stehen uns weiterhin zu viele Regenfälle bevor.«
»Es ist wie – beim Tischlern. Du brauchst eine zarte, dennoch kräftige Hand und sehr viel Übung.« Klerris blickt in den Regen hinaus und zieht den Umhang fester um sich.
»Gut, aber wir haben mehr Regen, als wir brauchen. Und halb Candar könnte schon bald weggeblasen werden. Die Fischer beklagen sich, dass es nicht genügend Sonne gibt, um den Fang zu trocknen. Ganz zu schweigen von der Zeit, die wir mit den Reparaturen an den Mauern verbracht haben. Unsere Äcker und Felder drohen fortzuschwimmen. Wir haben bereits viel Mais verloren … einfach weggespült.« Creslin schüttelt verzweifelt den Kopf. »Aber dennoch möchte ich nicht dorthin zurückgehen, wo wir begonnen haben.«
»Das alles erfordert viel Zeit.«
»Und wir haben keine Zeit. Ich bin auch nicht sicher, ob Candar noch Zeit bleibt. Laut Freigr brennen viele Wiesen und Weiden in Montgren.«
»Das ergibt doch keinen Sinn. Bauern setzen ihre Felder in Brand. Und es hat dort keine Gewitter gegeben, seit du – oh.«
»Ich bin sicher, sie geben uns die Schuld. Eigentlich mir. Vielleicht auch abtrünnigen Schwarzen, wie dir und Lydya.«
»Geduld wäre besser gewesen, weißt du?«
»Ich bin es leid, ständig von Geduld und Zeit zu hören. Mir war der Luxus beider Dinge nie gestattet. Der Himmel weiß, dass ich alles versucht habe. Wir haben Wasser umgeleitet, und die Flüsse versiegten. Ich habe Quellen gesucht und auch drei in den Bergen hinter den Feldern gefunden. Gut. Doch zwei davon trockneten innerhalb eines Achttages aus. Jeden Tag habe ich viele Stunden Meerwasser entsalzt, dennoch hat es nicht für
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