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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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Fronten. Zwischen den großen Kriegen Aufatmen, ein bißchen Stabilität, ein bißchen Leben, Kartenspielen, Schlafen, Briefe schreiben, dann die neuen Eroberungen. Alexander. Rückzüge und Vorstöße. Das träge Leben in der Etappe, das Leben auf Zeit. Aber was ist kein Leben auf Zeit: an einem Sonntag in Ur, die Bürger traten gerade den Weg zum Kirchgang an, fielen die Akkader ein, an einem Montag wie jedem anderen überrannten die Gutäer Akkad. Was sollen wir mit dieser erschreckenden Landschaft, die aussieht, als hätte sie immer darauf gewartet, ein Schlachtfeld zu werden. Der Lehm, der sich klumpig unter den Sohlen sammelt, das zerschossene Waldstück, das uns so ähnlich sieht und das aussichtslos Flache, der heulende Wind. Da ist kein Platz für einen Menschen: entweder im Lehm steckenbleiben oder vom Wind weggetrieben werden.
Postkarte
    Ich wußte, daß alles darauf ankam, nicht der Wirklichkeit zu entgleiten. Immer eine andere Form anzunehmen als die Lücke, durch die man fallen könnte.
    Ich habe eine Karte von Donatus bekommen, badende Soldaten sind darauf zu sehen, ein kühler Waldbach, ein frischer Spätsommertag. Was er schreibt, ist wie aus einem anderen Krieg. Welchen Kampf kämpft Donatus. Er schreibt von soundsovielen Malen des Von-der-Schippe-Springens, er hat Glück. Er wird es bis zum Schluß haben, er wird nicht zum Krüppel werden oder nur die Hälfte seines Gesichtes behalten, er wird gar nicht erst anfangen müssen, darüber nachzudenken.
Graben
    Es ist ruhig heute. Die meisten spielen Karten, manche schreiben Briefe oder lesen. Ich mache nichts, ich sehe von der Deckung aus über die Ebene und denke an den Turm. Das Feld ist so weit wie der Himmel an wolkenlosen Tagen. Manchmal gibt es Muster, wenn der Regen schräg über die Furchen fällt, die sich bis zum Horizont ziehen. Meist aber gibt es nicht einmal Muster, sondern nur dumpf fallendes Regenplatschen. Weichmachen, denke ich, wie sie die Irren zur Räson bringen wollten: stundenlanges Tropfen von kaltem Wasser auf die Fontanelle. Wir stehen im Graben stellenweise knietief im Wasser. Gestern hat einer zu mir gesagt: Da bist du nun zwei Jahre auf deinem Turm versauert, damit du hier in einem Erdloch versäufst, das du dir selbst gegraben hast. Wenn sie dich nicht vorher im eigenen Saft einmachen. Selbst der Himmel ist ein ganz anderer von hier aus, nicht mehr der leichte, der Vogelhimmel. Sondern das, was Gefahr birgt: Flieger. Flieger, unter deren Blick wir ungeschützt liegen wie die Hasen vor Bussardaugen. Hatte ich gedacht, schon dazuzugehören, wohin kein Mensch gehört, hatte ich geglaubt, so ein Turm wäre ein sicherer Platz im Himmel?
Todfroh
    Todfroh war so ein Wort, das wir leichthin sagten. Denn der Krieg war eine Aneinanderreihung von leichthin und leichthin. Das war das Schlimme, daß wir immer außerhalb waren und nicht verstehen konnten, was geschah. Todfroh war unser ganzer Tag. Todfroh und tapfer. Grau und tapfer. Rot und tapfer. Ich weiß es nicht. Meist blieb nur der Klang der zwei Silben als lästiger Lappen im Denken hängen: tap-fer. Zu Hause könnte mir jeder sagen, was tapfer ist, hier wird abgewunken. Darüber läßt sich nichts denken. Tapfer ist die Signalmunition angesichts der Dunkelheit. Tapfer sind die Backenzähne, die aufeinandergebissen werden. Tapfer sind Franzosen, die für ihre Heimat fallen, denn man möchte etwas Schönes über sie sagen, ohne zu menschlich zu werden. Tapfer ist es, eine Medaille zu tragen, auf der steht: für Tapferkeit. Und den Eltern keinen Brief zu schicken, worin steht, ich bin nicht tapfer gewesen, glaubt nicht dem Blatt Papier, auf dem mein Tod stehen wird. Tapfer kann man nur sein, wenn der Gegner tapfer ist, aber der Gegner ist der Krieg und der ist nicht mal feige. Er ist immer schon weg, wenn man kommt: in den ausgebrannten Dörfern, im Sturmangriff, im Gefecht, auf Generalstabskarten und Zeitungsblättern. In Wunden ist er nicht mehr, und im Tod ist er auch schon vorbei.
Hellmund
    Ich habe Donatus getroffen. Er lag wegen eines Granatsplitters im rechten Oberarm drei Wochen im Lazarett und ist danach auf Urlaub nach Hause gekommen. Eine weitere aufregende Episode seines Abenteuers Krieg. Er sah mit der etwas hochgezogenen Schulter noch besser aus als früher, seine Haut war braungebrannt, und er erzählte in einem fort Frontgeschichten. Er erzählte auch von Hellmund. Im Lazarett hatte er neben einem neuen Freund Hellmunds gelegen. Donatus hatte gar nicht glauben

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