Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Nase in die Öffnung am Boden schob und neugierig schnupperte.
»Was ist das denn?« Chester war vom Anblick des überdimensionierten Katers dermaßen verblüfft, dass er die Kurbel losließ, die sich sofort zurückdrehte. Quietschend senkte sich die Tür in ihren Schienen und fiel krachend zu Boden, sodass Bartleby erschrocken zurückzuckte.
»Herrgott noch mal, Chester, mach die Tür wieder auf!«, rief Will.
Chester nickte und kurbelte erneut.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Cal und schob sich ins Licht.
»Nein! Nicht du auch noch! Was zum Teufel machst du hier?«, keuchte Will.
»Ich komme mit«, erwiderte Cal, betroffen über die Reaktion seines Bruders.
Chester hielt inne und schaute rasch von einem der Brüder zum anderen. »Der sieht genauso aus wie du!«
Will hatte einen Punkt erreicht, an dem ihm die ganze Situation zunehmend absurder erschien – absurder und hoffnungsloser. Tams Plan drohte, sich vor seinen Augen in Luft aufzulösen, und Will hatte das schreckliche Gefühl, dass sie alle geschnappt werden würden. Er musste die Lage wieder unter Kontrolle bekommen … irgendwie … und zwar schnell.
»VERDAMMT NOCH MAL, CHESTER, ÖFFNE DIE TÜR!«, brüllte er verzweifelt, und Chester kurbelte gehorsam weiter. Die Gummilippe befand sich nun einen halben Meter über dem Boden. Bartleby steckte den Kopf durch die Öffnung, tauchte unter der Tür hindurch und verschwand außer Sicht.
»Tam weiß nicht, dass du hier bist, oder?« Will packte seinen Bruder am Mantelkragen.
»Natürlich nicht. Ich habe alleine beschlossen, dass es für mich Zeit ist, nach Übergrund zu gehen – genau wie du und Mutter.«
»Du wirst schön hierbleiben«, stieß Will zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Als er den gekränkten Gesichtsausdruck seines Bruders sah, ließ er ihn los und fügte etwas freundlicher hinzu: »Ehrlich, du kannst nicht mitkommen … Onkel Tam würde dich umbringen, wenn er wüsste, dass du hier bist. Geh nach Hause und …« Will schaffte es nicht, den Satz zu beenden: Er und Cal hatten den starken Ammoniakgeruch wahrgenommen, der in Wogen durch die Luft zu ihnen drang.
»Der Alarm!«, rief Cal mit Panik in den Augen.
Im nächsten Moment hörten sie laute Geräusche von draußen. Jemand rief etwas und dann zersplitterte Glas. Hastig stürzten die Jungen zum Küchenfenster und blinzelten durch die gesprungene Fensterscheibe.
»Styx!«, keuchte Cal.
Will schätzte, dass sich mindestens dreißig Styx in einem Halbkreis vor dem Haus postiert hatten – und das waren nur diejenigen, die er von seinem Standort aus sehen konnte. Wie viele Styx sich da draußen insgesamt versammelt hatten, darüber mochte er gar nicht nachdenken. Er duckte sich und schaute rasch zu Chester hinüber, der fieberhaft an der Kurbel drehte. Die Öffnung unter der Gummilippe war nun so breit, dass sie gerade hindurchpassten.
Will warf seinem Bruder einen Blick zu und wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab – schließlich konnte er ihn nicht den Styx überlassen.
»Okay, dann los! Tauch unter der Tür durch«, flüsterte er drängend.
Cals Gesicht leuchtete auf, und er bedankte sich überschwänglich bei Will, der ihm ein Atemgerät in die Hand drückte und ihn in Richtung Tür schob.
Während Cal durch die Öffnung schlüpfte, drehte Will sich zum Fenster um und sah gerade rechtzeitig, wie die Styx geschlossen auf das Haus zumarschierten. Das sagte ihm alles. Er stürzte zur Metalltür und schrie Chester zu, sich eine Atemmaske zu schnappen und ihm zu folgen. Als er hörte, wie die Haustür zertrümmert wurde, wusste er, dass ihnen gerade noch genügend Zeit blieb, um beide unter der Tür durchzutauchen.
Und dann geschah etwas Furchtbares.
Eines jener schrecklichen Ereignisse, die man später im Kopf wieder und wieder durchgeht … aber von denen man tief im Inneren weiß, dass man nichts daran hätte ändern können.
In dem Moment hörten die Jungen sie.
Eine Stimme, die sie beide kannten.
30
»Wenn das nicht der gute alte Will ist«, sagte die Stimme, woraufhin die beiden Jungen wie angewurzelt stehen blieben. Will war bereits halb unter der Tür durch und hatte Chester am Unterarm gepackt, um ihn hinter sich herzuziehen, als er einen Blick zur Küchentür warf und erstarrte.
Ein junges Mädchen spazierte in den Raum, flankiert von zwei Styx.
»Rebecca?«, stieß Will atemlos hervor und schüttelte den Kopf, als würde er seinen Augen nicht trauen.
»Rebecca!«, wiederholte er
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