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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Styx.«
    »Was?« Will schaute ihn fragend an.
    »Ihre Vorfahren. Es heißt, einer Gruppe von Einwohnern sei es gelungen, zur Zeit der Pest aus der Stadt zu fliehen.«
    »Und wohin?«
    »Nach Übergrund«, erwiderte Cal. »Sie sollen dort eine Art Geheimgesellschaft gebildet haben. Angeblich haben die Styx Sir Gabriel auf die Idee mit der Kolonie gebracht.«
    Will hatte keine Gelegenheit, seinem Bruder noch weitere Fragen zu stellen, da Bartleby in diesem Moment die Ohren spitzte und wie gebannt zur Tür starrte. Obwohl keiner der Jungen etwas gehört hatte, verfiel Cal in Hektik.
    »Schnell, schnell, schau auf die Karte, Will! Mach schon!«
    Sie ließen die Totenkopfkammer hinter sich und schlichen vorsichtig durch die alten Straßen. Dabei hatte Will die Chance, die Gebäude aus der Nähe zu betrachten. Sämtliche Fassaden waren mit kunstvollen Steinmetzarbeiten und Inschriften versehen. Aber Will sah auch den Verfall: Das Mauerwerk vieler Gebäude wirkte brüchig, zersplittert und baufällig. Nichtsdestotrotz ragten die Bauten stolz und erhaben in die Höhe und strahlten eine enorme Macht aus – Macht und noch etwas anderes, eine uralte dunkle Bedrohung. Will war erleichtert, dass die Bewohner der Stadt nicht mehr lebten.
    Während die Jungen durch die gepflasterten Gassen liefen, spritzte das trübe Wasser auf dem Boden bei jedem Schritt auf. Dabei wurden auch die darin enthaltenen Algen aufgewühlt, sodass kleine schimmernde Flecken im Kielsog der beiden Brüder entstanden – wie leuchtende Trittsteine. Bartleby mochte das Wasser nicht und hüpfte mit der Präzision eines Lippizaners hindurch, um sich ja nicht damit zu besudeln.
    Nachdem sie eine schmale Steinbrücke überquert hatten, blieb Will kurz stehen und schaute über die verfallene Marmorbalustrade hinab auf den Fluss. Der träge dahinfließende, ölig schimmernde Strom schlängelte sich behäbig durch die Stadt, floss unter weiteren Brücken hindurch und schwappte schwerfällig gegen die massiven Steinquader, die seine Ufer bildeten. Auf diesen Uferpromenaden thronten Statuen und wachten über den Fluss wie Wasserwächter: alte Männer mit wogendem Haar und unglaublich langen Bärten und Frauen in wallenden Gewändern, die Muscheln und Leuchtkugeln – oder nur ihre abgebrochenen Armstümpfe – in Richtung des Flusses ausstreckten, als würden sie antiken Gottheiten Opfergaben darbieten.
    Die Jungen erreichten einen großen Platz, der von hohen Gebäuden umgeben war, und suchten instinktiv Deckung hinter einer schmalen Brüstung.
    »Was ist das?«, flüsterte Will. In der Platzmitte ragte ein erhöhtes Gerüst auf, das von dicken Säulen getragen wurde und auf dem sich menschliche Gestalten befanden: kreideweiße Statuen in gebeugter, schmerzverzerrter Haltung, mit teilweise zerstörten Gesichtszügen und fehlenden Gliedmaßen. Rostige Eisenketten waren um ihre gekrümmten Leiber gewunden und an Pfählen befestigt. Das Ganze sah aus wie die Skulptur einer längst vergessenen Gräueltat.
    »Der Pranger. Hier wurden sie bestraft.«
    »Grauenhafte Statuen«, sagte Will, unfähig, den Blick abzuwenden.
    »Das sind keine Statuen, sondern echte Menschen. Tam sagt, dass man ihre Körper versteinert hat.«
    »Nein!«, stieß Will fassungslos hervor und starrte noch angestrengter in Richtung des Gerüsts. Er wünschte, er hätte Zeit, das alles zu dokumentieren.
    »Pst«, flüsterte Cal warnend. Er schnappte sich Bartleby und zog ihn an sich. Der Kater strampelte wild, aber Cal ließ ihn nicht los. Fragend schaute Will seinen Bruder an.
    »Duck dich«, flüsterte Cal. Er zog den Kopf noch tiefer hinter die Brüstung, hielt Bartleby die Augen zu und umklammerte ihn noch fester.
    Während Will seinem Beispiel folgte, sah er sie plötzlich: Auf der anderen Seite des Platzes waren gespenstisch leise vier Gestalten aufgetaucht, die scheinbar über dem feuchten Boden schwebten. Sie trugen Atemmasken und Schutzbrillen mit großen, kreisrunden Gläsern und sahen damit wie schauerliche Insektenmenschen aus. Will konnte an ihrer Silhouette erkennen, dass es sich um Styx handelte. Allerdings waren ihre langen Mäntel nicht aus dem glänzend schwarzen Material gefertigt, das Will bereits kannte, sondern aus einem matten grau-grün gefleckten Tarnstoff.
    Mit militärischer Präzision rückten sie geschlossen vor, wobei einer der Styx einen riesigen Hund führte, der an seiner Leine zerrte. Eine dunstige Atemwolke hing vor der Schnauze des furchterregenden Tiers. Noch nie

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