Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
resignierten Seufzer aus.
»Okay, Chester, wenn es dich glücklich macht, hören wir für heute auf, und ich spreche nachher noch mal mit meinem Dad darüber. Mal sehen, was er dazu sagt.«
»Ja, das wäre mir lieber, Will … nur für alle Fälle.«
Dr. Burrows verabschiedete sich von Rübennasen-Joe und seiner Tochter und versprach, im örtlichen Stadtarchiv weitere Nachforschungen über das Haus und seine Architektur anzustellen. Dann warf er einen Blick auf die Uhr und verzog das Gesicht. Er wusste, dass er das Museum nicht so lange geschlossen halten sollte, aber er wollte noch etwas überprüfen, ehe er sich auf den Rückweg machte.
Er umrundete den Platz mehrere Male und betrachtete die Reihenhäuser eingehend von allen Seiten. Der gesamte Komplex war zur gleichen Zeit errichtet worden, und die einzelnen Häuser wirkten vollkommen identisch. Aber ihn faszinierte einfach die Vorstellung, dass möglicherweise jedes dieser Gebäude mit einem vergleichbaren geheimnisvollen Schacht ausgestattet sein könnte. Er überquerte die Straße, ging durch das kleine Tor zum Zentrum des Platzes, in dessen Mitte eine gepflasterte Fläche von mehreren vernachlässigten Rosenrabatten eingefasst war. Von hier aus hatte er eine bessere Sicht auf die Dächer der Reihenhäuser. Mit erhobenem Zeigefinger begann er zu zählen, um herauszufinden, wie viele Schornsteinkappen sich auf jedem Dach befanden. »Das ergibt keinen Sinn«, murmelte er stirnrunzelnd. »Wirklich sehr merkwürdig.« Er drehte sich um, verließ den Platz und kehrte zum Museum zurück, wo er pünktlich zur Schließungszeit eintraf.
7
Mitten in der Nacht beobachtete Rebecca aus einem der Fenster im Obergeschoss, wie eine dunkle Gestalt auf dem Gehweg vor dem Haus der Burrows herumlungerte. Der Mann, dessen Gesicht von einer Kapuzenjacke und einer Baseballkappe verdeckt wurde, schaute verstohlen in beide Richtungen der Straße und verhielt sich eher wie ein Fuchs als wie ein Mensch. Nachdem er zufrieden festgestellt hatte, dass ihn niemand beobachtete, beugte er sich über die Müllbeutel, schnappte sich den größten, riss ein Loch hinein und wühlte mit beiden Händen hastig darin herum.
»Hältst du mich wirklich für so blöd?«, flüsterte Rebecca, wobei ihr Atem die Scheibe ihres Fensters beschlagen ließ. Sie machte sich nicht die geringsten Sorgen. Dank der wiederholten Warnungen vor Identitätsraub in der Gegend von Highfield hatte sie sämtliche offiziellen Briefe, Kreditkartenabrechnungen und Kontoauszüge sorgfältig zerstört – im Grunde alles, was persönliche Daten der verschiedenen Familienmitglieder enthielt.
In seiner Eile zerrte der Mann jede Menge Müll aus dem Sack. Leere Büchsen, Lebensmittelverpackungen und eine Reihe von Plastikflaschen landeten auf dem Rasen des Vorgartens. Schließlich holte er eine Handvoll Papiere aus dem Beutel, hielt sie sich dicht vors Gesicht und drehte sie prüfend im schwachen Licht der Straßenlaterne hin und her.
»Komm schon«, forderte Rebecca den Plünderer heraus. »Gib dir Mühe!«
Der Mann wischte mit der Hand Fettreste und Kaffeesatz von einem Stück Papier und drehte es dann so, dass er es besser lesen konnte.
Rebecca beobachtete, wie er hastig den Brief überflog, und lächelte, als sie sah, wie dem Fremden klar wurde, dass das Papier wertlos war. Wütend und angewidert warf er den Brief auf den Boden.
Jetzt reichte es Rebecca. Bis zu diesem Moment hatte sie auf der Fensterbank gelehnt, aber nun richtete sie sich auf und riss die Vorhänge auf.
Der Mann bemerkte die Bewegung und schaute rasch nach oben. Er sah sie und erstarrte, dann machte er auf dem Absatz kehrt, überprüfte erneut beide Straßenseiten und trollte sich, wobei er Rebecca noch einen letzten Blick zuwarf, als wüsste er genau, dass sie nicht die Polizei rufen würde.
Wütend ballte Rebecca ihre kleine Faust; schließlich war sie diejenige, die den ganzen Dreck am nächsten Morgen wieder wegräumen durfte. Noch eine ermüdende Aufgabe auf ihrer langen Liste mit Hausarbeiten!
Sie schloss die Vorhänge, zog sich vom Fenster zurück und ging hinaus auf den Flur. Dort blieb sie eine Weile in ihren kleinen Pantoffeln stehen und lauschte. Von mehreren Seiten drangen Schnarchtöne an ihr Ohr. Sie drehte sich um und wandte sich der Tür des Elternschlafzimmers zu, da sie das vertraute Geräusch sofort erkannt hatte. Mrs Burrows schlief fest. In der kurzen Pause zwischen den Schnarchtönen lauschte Rebecca noch angestrengter,
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