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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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beobachtete.

8
    Am nächsten Tag war Dr. Burrows wie gewohnt im Museum und sortierte die Knöpfe in dem Schaukasten, der am Fenster stand. Er beugte sich über die geöffnete Glasscheibe und legte mehrere neu erworbene, grünspanige Messingknöpfe von verschiedenen Militärregimentern zu den unregelmäßig aufgereihten Plastik-, Perlmutt- und Emailleknöpfen in der Vitrine. Doch nach einer Weile verlor er die Geduld, da die Öse auf der Rückseite der Knöpfe verhinderte, dass sie flach auf dem samtbezogenen Brett liegen blieben – so sehr er sie auch in den Stoff zu drücken versuchte. Er seufzte frustriert und schaute auf, als er einen Wagen auf der Straße hupen hörte.
    Aus dem Augenwinkel sah er einen Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite über den Bürgersteig schlendern. Er trug eine Schiebermütze, einen langen Mantel und – trotz des leicht bewölkten Himmels – eine dunkle Sonnenbrille. Möglicherweise handelte es sich um denselben Mann, der ihn vor dem Zeitungsgeschäft angerempelt hatte. Aber Dr. Burrows war sich nicht sicher, weil diese Leute sich so ähnlich sahen.
    Was war so faszinierend an diesen Menschen?, wunderte er sich. Tief in seinem Inneren spürte er, dass sie etwas Besonderes an sich hatten, etwas entschieden Deplatziertes. Es schien fast, als wären sie direkt einer anderen Zeit entsprungen, vielleicht der georgianischen Epoche; zumindest ließ ihre Kleidung das vermuten. Für ihn hatte ihr Anblick den gleichen Stellenwert wie die Entdeckung lebender Fossilien – zum Beispiel der Quastenflosser, der irgendwelchen asiatischen Fischern ins Netz gegangen war. Oder – noch viel faszinierender – wie das Aufspüren jenes bisher unbekannten Wesens zwischen Affe und Mensch, des »fehlenden Bindeglieds« in der Evolution der Menschheit. Mit diesen Dingen beschäftigte er sich in seinen Tagträumen, diese Fragen lenkten ihn von seinem eintönigen und ereignislosen Alltag ab.
    Als Mann, der seine Leidenschaften noch nie hatte zügeln können, war Dr. Burrows der rätselhaften Angelegenheit nun vollends verfallen. Es musste einfach eine vernünftige Erklärung für das Phänomen der »behüteten« Männer geben, und er war entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Also gut«, beschloss er spontan, »jetzt oder nie.«
    Er stellte die Knöpfe-Schachtel beiseite, eilte durch den Saal zum Haupteingang und schloss das Museum hinter sich ab. Als er auf den Bürgersteig hinaustrat, entdeckte er den Mann in nicht allzu weiter Entfernung und folgte ihm im gebührenden Abstand die High Street entlang.
    Dr. Burrows passte sein Schritttempo dem Mann an, der schließlich die High Street verließ, in die Disraeli Street einbog und dann die Straße überquerte, um unmittelbar hinter dem alten Kloster nach rechts in die Gladstone Street abzubiegen. Er ging etwa zwanzig Meter hinter ihm, als der Mann plötzlich stehen blieb, sich abrupt umdrehte und ihn direkt anschaute.
    Dr. Burrows schauderte, als er sah, wie sich der Himmel in der Sonnenbrille des Mannes widerspiegelte. Das Spiel ist aus, dachte er, wirbelte herum und blickte in die entgegengesetzte Richtung. Da er nicht wusste, was er sonst machen sollte, ging er in die Hocke und tat so, als würde er sich die nicht vorhandenen Schnürsenkel an seinen Slippern zubinden. Dabei schielte er verstohlen über die Schulter – doch der Mann war spurlos verschwunden.
    Hektisch suchte Dr. Burrows mit den Augen die Straße ab und marschierte los. Als er sich der Stelle näherte, wo er seine Beute zum letzten Mal gesehen hatte, begann er zu laufen. Dort angekommen, entdeckte er eine schmale Gasse zwischen zwei kleinen Häusern mit Seniorenwohnungen. Er war ziemlich überrascht, dass er diesen Weg in all den Jahren, die er hier schon entlangkam, noch nie bemerkt hatte. Die Gasse besaß einen gewölbten Torbogen und wirkte wie ein Tunnel, bis sie auf der Rückseite der Häuser vorbeiführte und ein kurzes Stück lang nicht überdacht war. Dr. Burrows spähte in die Gasse, aber in dem Dämmerlicht dort konnte er kaum etwas erkennen. Erst am anderen Ende der Gasse, hinter dem überdachten und dunklen Abschnitt, konnte er etwas ausmachen: Es war eine Mauer, die den Weg vollkommen abschloss – eine Sackgasse.
    Erneut schaute er prüfend die Straße auf und ab, dann schüttelte er ungläubig den Kopf. Es gab keine andere Möglichkeit, wohin der Mann sonst so rasch hätte verschwunden sein können. Dr. Burrows holte tief Luft und betrat die Gasse.

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