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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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sie auf frischer Tat ertappte.
    Sämtliche Mitglieder trugen ihre Uniform auf die gleiche unordentliche Weise, mit schlampig gebundenen Krawattenknoten, abgewetzten Pullovern und zerknitterten Hemden, die halb aus ihren ausgebeulten Hosen hingen. Sie sahen aus wie ein Häuflein unterernährter Waisen, die man aus einem Kanal gezogen und dann im Wind hatte trocknen lassen. Außerdem hatten sie alle eine große Klappe und nahmen jeden in die Mangel, der das Pech hatte, ihren Weg zu kreuzen.
    Eine ihrer besonders hinterhältigen Taktiken bestand darin, einen nichts ahnenden Schüler zu umzingeln und ihn wie ein Rudel Hyänen in die Mitte des Schulhofs zu treiben, wo sie ihn so lange drangsalierten, bis ihr Opfer heulend zusammenbrach. Will war einmal unfreiwilliger Zeuge einer solchen Aktion geworden, als Speed und seine Gang einen Siebtklässler gezwungen hatten, laut und ununterbrochen »Schlaf, Kindchen, schlaf! Dein Vater ist ein Schaf« zu singen. Der vor Angst erstarrte Junge hatte sich so oft verhaspelt, dass er die Worte schließlich stumm mit den Lippen formte, woraufhin Speed ihn gnadenlos in die Rippen stieß, damit er laut sang. Um die Beteiligten hatte sich eine Zuschauermenge versammelt, die verlegen kicherte und sich gegenseitig anschubste, mit kaum verhohlener Erleichterung darüber, dass ihnen ein ähnliches Schicksal erspart geblieben war. Will hatte den Anblick des Jungen, der schluchzend vor Angst die Worte hervorstammelte, nie mehr vergessen. Und nun war er selbst derjenige, auf den Speed seine unerwünschte Aufmerksamkeit gerichtet hatte.
    »Kann man ihm wohl kaum vorwerfen, oder? Wahrscheinlich hatte er die Schnauze voll von dir!«, höhnte Speed, und seine Stimme triefte vor Verachtung.
    Stoisch über seinen Tisch gebeugt, tat Will so, als würde er eine Seite in seinem Lehrbuch suchen.
    »Die Schnauze voll von seinem Sohn, dem Freak!«, rief Speed in jener unangenehm kehligen und zugleich quieksenden Tonlage, die nur jemand zustande bringt, der sich gerade im Stimmbruch befindet.
    In jenem Moment kochte in Will die Wut hoch; sein Puls raste und sein Gesicht glühte. Er hasste es, dass sein Körper seinen Zorn verriet. Während er den Blick auf die absolut bedeutungslose Buchseite vor ihm fixiert hielt, verspürte er für den Bruchteil einer Sekunde einen Anflug von unbeschreiblichem Selbstzweifel und Schuld. Vielleicht hatte Speed ja recht. Vielleicht war das wirklich sein Fehler … vielleicht trug er ja wirklich die Schuld am Verschwinden seines Vaters.
    Doch dann verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Unmöglich konnte er dafür verantwortlich sein. Welchen Grund sein Vater auch immer gehabt haben mochte, er hätte ihn auf keinen Fall einfach so im Stich gelassen. Die Ursache musste irgendetwas Schwerwiegendes gewesen sein … etwas verdammt Ernstes.
    »Und dann erst deine durchgeknallte Mutter!«, johlte Speed noch lauter. Bei dieser Bemerkung hörte Will, wie ein paar Schüler in der ansonsten mucksmäuschenstillen Klasse nach Luft schnappten und unterdrückt kicherten. Also war es inzwischen überall bekannt, was mit seiner Mutter los war.
    Will umklammerte sein Lehrbuch mit solcher Kraft, dass sich der Einband leicht durchbog. Noch immer hielt er den Blick gesenkt, schüttelte aber langsam den Kopf. Das Gerede führte unweigerlich in eine Richtung … er hatte wirklich keine Lust auf einen Kampf, aber diese kleine Ratte trieb es einfach zu weit. Das Ganze war jetzt eine Frage der Ehre.
    »He, Mr Käseweiß, ich rede mit dir! Hast du nun ’nen Vater oder nicht? Bist du ein M …«
    Jetzt reichte es! Will stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl nach hinten flog, über den Holzboden schlitterte und umkippte. Entschlossen sah er Speed in die Augen, der ebenfalls aufgesprungen war und auf dessen Gesicht sich boshaftes Vergnügen darüber ausbreitete, dass er mit seinem Hohn voll ins Schwarze getroffen hatte. Gleichzeitig erhoben sich drei der Greys, die hinter Speed saßen, voller Vorfreude von ihren Stühlen.
    »Hat das Milchgesicht etwa schon genug?«, höhnte Speed und stolzierte großspurig zwischen den Tischen hindurch in Wills Richtung, seine feixenden Kumpane im Schlepptau.
    Als er Will erreicht hatte, blieb er unmittelbar vor ihm stehen, die Hände zu Fäusten geballt. Am liebsten wäre Will einen Schritt zurückgewichen, aber er wusste, dass er seinen Mann stehen musste.
    Speed schob sein Gesicht noch näher heran, sodass es nur wenige Zentimeter von Wills entfernt war; dann

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