Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
wölbte er den Rücken wie ein zweitklassiger Boxer. »Also … was … ist … jetzt?«, sagte er und stieß Will mit jedem Wort den Finger in die Brust.
»Lass ihn in Ruhe. Wir alle haben von dir echt die Schnauze voll.« Chesters imposante Statur schob sich plötzlich ins Bild und baute sich neben Will auf.
Speed warf ihm einen unbehaglichen Blick zu und schaute dann wieder zu Will.
Da er spürte, dass die ganze Klasse ihn beobachtete und man von ihm den nächsten Schritt erwartete, blieb Speed nichts anderes übrig, als verächtlich durch die Zähne zu zischen – ein lahmer Versuch, seine Ehre zu retten, was allen sofort klar war. Zwei von Speeds Gefolgsleuten verdrückten sich und schlichen zu ihren Tischen zurück, sodass nur das kleinste Mitglied der Greys zurückblieb. Obwohl der schmächtige Junge aussah, als würde er noch in die Hose machen, tänzelte er von einem Fuß auf den anderen, einem Kampf nicht abgeneigt.
»Und, was hast du jetzt vor? Mit diesem Zwerg als Anhängsel?«, sagte Chester mit einem kalten Lächeln.
Glücklicherweise betrat in diesem Moment der Lehrer das Klassenzimmer. Als er die Lage erkannte, räusperte er sich laut, um seine Anwesenheit zu verkünden. Aber da dies nichts an der Pattsituation zwischen Will, Chester und Speed veränderte, sah er sich gezwungen, zu den Streithähnen zu gehen und sie mit wenigen klaren Worten auf ihre Plätze zu schicken.
Während Will und Chester sich wieder hinsetzten, blieb Speed mit seinem Spießgesellen stehen. Erst als der Lehrer ihnen einen düsteren Blick zuwarf, trollten sie sich schließlich. Will lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Chester lächelnd an. Chester war ein echter Freund.
Als Will am Nachmittag aus der Schule zurückkehrte, schlich er sich leise in den Flur, damit seine Schwester ihn nicht hörte. Vor der Kellertür blieb er einen Moment stehen, um auf die Geräusche im Haus zu lauschen. Aus dem Obergeschoss drangen die Klänge von »You Are My Sunshine« zu ihm nach unten; Rebecca sang vor sich hin, während sie ihre Hausarbeiten machte. Rasch schlüpfte Will durch die Kellertür, stieg die Treppe hinunter und entriegelte die Tür, die in den Garten führte und hinter der Chester wartete.
»Bist du dir sicher, dass das keinen Ärger gibt?«, fragte er. »Irgendwie erscheint es mir nicht richtig … hier zu sein.«
»Quatsch. Natürlich gibt das keinen Ärger«, widersprach Will. »So, dann wollen wir mal sehen, was wir hier finden.«
Systematisch durchsuchten sie alle Regale und auch die Archivboxen, mit denen Will ein paar Tage zuvor bereits begonnen hatte. Doch ihre Suche blieb vergebens.
»Das war ja wohl absolute Zeitverschwendung«, sagte Will niedergeschlagen.
»Also, was glaubst du, woher stammt diese Erde?«, fragte Chester und ging zu der Schubkarre, um deren Inhalt genauer zu inspizieren.
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht sollten wir uns mal auf dem Gemeindeland umsehen. Möglicherweise war mein Dad da mit irgendetwas zugange.«
»Ist ein ziemlich großes Gelände«, meinte Chester skeptisch. »Aber warum sollte er die Erde hier in den Keller bringen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Will und ließ seinen Blick ein letztes Mal über das Bücherregal wandern. Plötzlich bemerkte er etwas an der Seite der Regalwand und runzelte die Stirn.
»Warte mal. Das ist ja merkwürdig«, sagte er.
»Was ist merkwürdig?«
»Na, das hier. Hier unten ist ein Stecker mit einem Schalter, aber ich kann nicht erkennen, wohin das Kabel führt.« Er legte den Schalter um und sie sahen sich um; anscheinend hatte sich nichts verändert.
»Wofür soll der Schalter denn gut sein?«, fragte Chester.
»Jedenfalls nicht für die Außenbeleuchtung.«
»Und warum nicht?«, hakte Chester nach.
»Weil wir gar keine haben«, erwiderte Will. Dann ging er zur anderen Seite der Bücherwand, warf einen Blick in die Dunkelheit zwischen den beiden Regalelementen, machte einen Schritt zurück und betrachtete nachdenklich die Wand. »Seltsam. Das Kabel kommt auf dieser Seite nicht wieder heraus.«
Er nahm die Trittleiter, die neben der Gartentür stand, stellte sie vor das Bücherregal und kletterte hinauf, um den oberen Bereich zu inspizieren.
»Hier oben ist auch nichts zu sehen«, sagte er. »Ist mir schleierhaft.« Er wollte gerade wieder von der Leiter steigen, als er plötzlich innehielt und mit der Hand über das oberste Regalbrett strich.
»Und? Irgendwas gefunden?«, fragte Chester.
»Jede Menge Ziegelstaub«,
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