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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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der Römer einen Clarke gegeben, der den südländischen Neuankömmlingen Rüben oder irgendwelche andere, damals gefragte Gemüsesorten verkaufte. Mr Clarke der Jüngere war Mitte vierzig und wirkte mit seiner Vorliebe für grauenhaft grelle Sakkos, die er beim örtlichen Schneider anfertigen ließ, sehr exzentrisch. Zitronengelbe, schweinchenrosa und taubenblaue Streifen flimmerten zwischen den Auslagen, in denen das Rot der Tomaten und das schimmernde Grün der Kohlköpfe geradezu gedeckt wirkten. Mit seiner ansteckend guten Laune und einem scheinbar unerschöpflichen Repertoire an Witzchen und Scherzfragen erfreute er sich bei den Damen, gleich welchen Alters, großer Beliebtheit. Doch seltsamerweise war er seit eh und je ein eingefleischter Junggeselle.
    Mr Clarke der Ältere hätte nicht unterschiedlicher sein können. Als überzeugter Traditionalist missbilligte er sowohl das farbenfrohe Erscheinungsbild seines Bruders als auch dessen überschwängliches Auftreten und beharrte auf der altehrwürdigen Kleiderordnung – dem bewährten Ladenkittel, den schon seine Vorfahren getragen hatten. Mr Clarke der Ältere war penibel und ordentlich, und seine Kleidung sah aus, als bügle er sie direkt am Körper, so steif und knitterfrei wirkten der pilzbraune Kittel, das weiße Oberhemd und die schwarze Krawatte. Seine Schuhe glänzten tadellos, und seine im Nacken und an den Seiten sauber kurzrasierten Haare waren mit viel Pomade zurückgekämmt und schimmerten ölig.
    Die beiden Brüder erinnerten in ihrem dunkelgrünen Gemüseladen an eine Raupe und einen Schmetterling, die in einer Erbsenschote gefangen saßen. Und mit ihrem ständigen Geplänkel schienen der leichtfertige Spaßvogel und sein puritanischer Bruder permanent für eine Varieténummer zu proben, die jedoch nie zur Aufführung kam.
    »Erwartest du einen Ansturm auf meine herrlichen Stachelbeeren?«, fragte Mr Clarke der Jüngere und warf Chester ein verschmitztes Lächeln zu, der ihn jedoch nur anstarrte, die Schulter noch immer gegen die Tür gestemmt und scheinbar zu keiner Antwort fähig. »Ah, der starke, schweigsame Typ«, lispelte der Ladenbesitzer, tänzelte von der Trittleiter und landete mit einer schwungvollen Drehung direkt vor Will.
    »Du bist der Sohn von Dr. Burrows, nicht wahr?«, sagte er, und sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Das Verschwinden deines werten Vaters tut mir außerordentlich leid. Wir haben euch in unsere Gedanken und Gebete eingeschlossen«, fuhr er fort und legte die rechte Hand sanft auf sein Herz. »Wie trägt es deine verehrte Frau Mama? Und dein entzückendes Schwesterlein?«
    »Gut, gut; es geht beiden gut«, erwiderte Will geistesabwesend.
    »Sie kommt regelmäßig vorbei … eine geschätzte Kundin.«
    »Ja«, platzte Will ein wenig zu schnell heraus, während er versuchte, Mr Clarke dem Jüngeren zuzuhören und gleichzeitig die Tür im Auge zu behalten, gegen die sich Chester mit aller Macht stemmte, als ginge es um sein Leben.
    »Eine hoch geschätzte Kundin«, wiederholte der hinter der Theke unsichtbare Mr Clarke der Ältere, begleitet vom Rascheln mehrerer Papiere.
    Mr Clarke der Jüngere nickte und lächelte. »Wohl wahr, wohl wahr. Bitte warte hier einen Moment, während ich schnell nach hinten eile und etwas für deine Mutter und Schwester hole.« Ehe Will auch nur einen Ton sagen konnte, machte er anmutig auf dem Absatz kehrt und tänzelte zum Lager am hinteren Endes des Gemüseladens. Will nutzte die Gelegenheit und ging rasch zum Fenster, um nachzusehen, was ihre beiden Verfolger machten. Überrascht zog er sich zurück.
    »Sie sind immer noch da!«, rief er.
    Die beiden Männer standen auf dem Bürgersteig direkt vor den Fenstern und starrten über die Auslagen mit Gemüse und Früchten in das Geschäft. Draußen war es inzwischen ziemlich dunkel geworden, und ihre Gesichter leuchteten wie gespenstische weiße Ballons im Schein der Ladenbeleuchtung. Beide trugen wieder ihre undurchdringlichen Sonnenbrillen, und Will konnte ihre bizarren Kopfbedeckungen und die wachsartig schimmernden, langen Mäntel mit der ungewöhnlichen Pelerine erkennen. Ihre zerfurchten, kantigen Gesichter mit dem verkniffenen Mund wirkten unnachgiebig und grausam.
    »Sorg dafür, dass sie die Polizei rufen«, sagte Chester mit leiser, angespannter Stimme. Er deutete mit dem Kopf auf die Ladentheke, hinter der sie Mr Clarke den Älteren hören konnten, der mit seinem Tacker so laut hantierte, als wäre es ein

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