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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Furcht erfüllt, dass ihnen vielleicht Tom Cox und seinesgleichen auflauerten.
    »Nein, das konntest du auch nicht. Außerdem stammt die Nachricht von jemandem, den wir kennen – einem Freund. Wir müssen los«, sagte sie. Dann nahm sie aus einem der Beutel den größten Sprengsatz, den Will bis dahin gesehen hatte, und befestigte den metallgrauen Kanister von der Größe einer großen Dose Farbe an der Felswand, direkt unterhalb des Seils. Anschließend ging sie gebückt ein paar Schritte zurück und spannte dabei einen fast unsichtbaren Draht quer durch den Tunnel. Will brauchte nicht zu fragen, was sie da tat: Elliott legte eine Stolperfalle, falls jemand das Lager durchsuchen wollte – eine Falle mit solch einer gewaltigen Sprengladung, dass das gesamte Areal unter Tonnen von Geröll begraben werden würde.
    Vorsichtig überprüfte sie ihre Arbeit und zupfte behutsam am Draht, der ein unheilvolles Schnarren erzeugte. Nachdem sie den kleinen Stift aus dem Behälter gezogen hatte, kehrte sie zu Will zurück.
    »Und was jetzt? Schleppen wir das alles mit?«, fragte der Junge und zeigte auf das Gepäck.
    »Vergiss es.«
    »Dann kehren wir also nicht zur Insel zurück?«
    »Kleine Planänderung«, erwiderte sie. In ihren Augen blitzte eine wilde Entschlossenheit, die Will sofort verriet, dass sich der Rückweg offenbar nicht so einfach gestalten würde, wie er gehofft hatte. In diesem Moment wusste er, dass Elliott einen anderen Entschluss gefasst hatte und sie nicht zu Chester und Cal auf die Insel zurückkehren würden.
    »Oh«, sagte Will, als ihm klar wurde, was das bedeutete.
    »Wir müssen auf die andere Seite der Prärie, und zwar schnell.« Ohne ersichtlichen Grund schaute sie verstohlen den Tunnel auf und ab und schnupperte ein paarmal.
    »Warum?«, fragte Will, woraufhin sie nur die Hand hob und ihn zum Schweigen brachte.
    Und dann hörte er es auch. Ein leises Winseln, das jedoch von Sekunde zu Sekunde lauter wurde und sich zu einem Heulen steigerte. Außerdem spürte er eine sanfte Brise im Gesicht und sah, wie der Wind an einem der Enden von Elliotts Shemagh zupfte.
    »Ein Levantewind« ,sagte sie und rief dann: »Der Sturm kommt. Welch ein Glück!«
    Plötzlich wurde Will all das zu viel. Er schwankte auf den Beinen, als würde er jeden Moment zusammenbrechen – was Elliott nicht entging. Besorgt musterte sie ihn, wühlte in ihrer Tasche und bot dem Jungen noch etwas von der mandelkernartigen Substanz an. Will nahm mehrere Stückchen, kaute sie mit grimmiger Miene und schmeckte die Säure auf seiner Zunge.
    »Besser?«, fragte sie.
    Will nickte. Doch in ihren Augen sah er statt freundschaftlicher Sorge eine kühle Distanziertheit, eine nüchterne Professionalität: Sie brauchte jemanden, der ihr dabei half, das auszuführen, was sie eben beschlossen hatte – er selbst interessierte sie dabei einen Dreck.
    »Teste mal das Sichtgerät«, befahl sie, während Will weiterkaute.
    Der Junge nickte erneut, klappte die Linse herunter, suchte nach dem Schalter an dem Kästchen in seiner Hosentasche und schaltete das Gerät ein. Ein leises Fiepen ertönte, das sich rasch zu einem hohen Ton aufbaute und dann mehrere Oktaven bis zu einem tiefen Brummen sank – ein kaum vernehmbares Geräusch, von dem Will nicht sagen konnte, ob er es über seinen Schädel wahrnahm oder tatsächlich hörte.
    »Schließ dein linkes Auge und schau nur durch die Linse«, empfahl Elliott.
    Will tat wie ihm geheißen, konnte aber überhaupt nichts erkennen – die Gummikappe mit der Linse drückte sich fest um sein rechtes Auge und schloss jeden Lichtschein von Elliotts inzwischen abgedunkelter Lampe aus. Doch gerade als er dachte, das Gerät müsse defekt sein, begannen winzige Lichtpunkte zu wirbeln, wie das unheimliche phosphoreszierende Schimmern von Meeresleuchten. Der bernsteinfarbene Schein, den Will bereits vom Blick durch das Zielfernrohr kannte, nahm rasch an Helligkeit zu, bis die einzelnen Lichtpunkte zu einem leuchtend gelben Bild verschmolzen, das Will fast schon in den Augen schmerzte. Die gesamte Umgebung war plötzlich deutlich sichtbar, als wäre sie in strahlendes Sonnenlicht getaucht worden. Will schaute an sich herab, auf seine schmutzstarrenden Hände, dann zu Elliott, die das große Tuch um ihr Gesicht drapierte, und schließlich zu den wirbelnden schwarzen Wolken, die sich in weiter Ferne durch den Tunnel wälzten und auf sie zukamen.
    Elliott sah, dass er das heraufziehende Unwetter bemerkt hatte. »Bist du

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