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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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schon mal in einen Pechsturm geraten?«, fragte sie.
    »Nein, jedenfalls nicht in einen hinein«, erklärte Will und erinnerte sich an jenen Nachmittag in der Kolonie, an dem Cal und er die düsteren Wolken durch die Straßen hatten wogen sehen – allerdings durch die Scheibe des geschlossenen Fensters. Sofort fielen ihm wieder Cals Worte ein, als er den näselnden Tonfall der Styx nachgeäfft hatte: »… er bringt Verderben über diejenigen, die ihm begegnen, und versengt ihr Fleisch …«
    Will warf Elliott einen raschen Blick zu. »Sind diese Pechstürme nicht gefährlich oder so?«
    »Nein«, schnaubte sie verächtlich, »das ist nur aufgewirbelter Staub, ganz normale Erde, heraufgeweht aus den unteren Tiefen. Du solltest nicht alles glauben, was die Weißkragen dir erzählen.«
    »Tu ich auch nicht«, erwiderte Will entrüstet.
    Elliott schulterte ihr Gewehr und wandte sich in Richtung der Großen Prärie. »Dann mal los.«
    Will folgte ihr. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, sowohl von den Nebenwirkungen des seltsamen Pflanzenkerns als auch vor gespannter Erwartung. Was steht uns als Nächstes bevor?, fragte er sich skeptisch. Doch dann stieg seine Laune, als er einen Blick durch Drakes Meisterwerk warf, dessen röntgenartige Sicht wie ein unsichtbarer Suchscheinwerfer durch die Dunkelheit schnitt.
    Wenige Momente später erreichten sie die golden schimmernde Kammer am Ende des Tunnels und dann den Sumpfteich. Nachdem sie auf der anderen Seite aus dem Wasser aufgetaucht waren, bemerkte Will kurz darauf, dass große Teile der Landschaft bereits von diffusen schwarzen Nebelfetzen verhüllt wurden. Die gischtartigen Wolken rückten von beiden Rändern seines Sichtfelds zusammen, wie zwei sich schließende Hände in schwarzen Handschuhen, die bald alles andere ausblenden würden. Schlagartig erkannte Will, dass ihm Drakes Nachtsichtgerät unter diesen Wetterbedingungen überhaupt nicht helfen würde.
    »Diese Stürme sind wirklich sehr dicht – können wir uns denn nicht verirren?«, fragte er Elliott, während der heulende Wind ihnen in immer stärkeren Böen entgegenschlug und sie zunehmend in Dunkelheit hüllte.
    »Ach was«, erwiderte sie abschätzig, knüpfte ein Seil um ihre Hüfte und reichte Will das andere Ende, damit er sich ebenfalls daran festband. »Folg immer nur dem Seil«, sagte sie. »Aber wenn ich zweimal ruckartig daran ziehe, bleibst du auf der Stelle stehen. Verstanden?«
    »Alles klar«, erwiderte Will mechanisch.
    Leichtfüßig liefen sie in die Große Prärie hinein und versanken bald in tintenschwarzer Dunkelheit, sodass Will das Mädchen nicht mehr sehen konnte, obwohl sie sich nur wenige Meter vor ihm befand. Er spürte, wie der rußartige Nebel sein Gesicht mit einem feinen, trockenen Staub bedeckte und ihm in die Nase drang, sodass er sie sich mehrmals zudrücken musste, um nicht zu niesen. Sein linkes Auge, das nicht durch das Nachtsichtgerät geschützt war, setzte sich schon bald zu und begann zu tränen.
    Entschlossen kaute Will auf dem Kernstückchen herum, im Rhythmus mit jedem Schritt, als könnte er dadurch noch mehr Energie aus der Pflanze herausquetschen. Nach kürzester Zeit hatte er das Kernfleisch zu ein paar strohigen Fasern zermalmt, von denen wenig später nur noch eine dünne Paste übrig blieb, die unter seiner Zunge klebte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das möglicherweise mit dem Einatmen von Staubpartikeln des Pechsturms zusammenhing.
    Plötzlich spürte er, wie zweimal am Seil gezogen wurde. Sofort hielt er inne, duckte sich und schaute sich wachsam um. Elliott tauchte gebückt aus dem schwarzen Nebel auf, kniete sich neben ihn und drückte warnend einen Finger auf die Lippen.
    Dann beugte sie sich zu ihm vor, bis der Shemagh über ihrem Mund sein Ohr streifte. »Hör mal«, flüsterte sie durch das Tuch.
    Will lauschte und hörte das weit entfernte Heulen eines Hundes. Sekunden später ertönte ein entsetzlicher Schrei.
     
    Der Schrei eines Mannes.
    Elliott hatte den Kopf zur Seite geneigt, aber ihre Augen – das Einzige, was er von ihr sehen konnte – verrieten ihm nichts.
    »Wir müssen uns beeilen.«
    Als der Boden unter Wills Füßen langsam anstieg und sein Schuh auf einen rosa getönten Kristall, eine Sandrose, traf, wusste er sofort, dass sie die Anhöhe zu dem riesigen amphitheaterartigen Krater erklommen – der Ort, an dem Drake und Elliott ihn und Chester damals überrascht und an dem sie die Hinrichtung von Abtrünnigen und

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