Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon

Vom Netzwerk:

»Okay, dann mal los.«
    Will stellte fest, dass er nun mühelos mit Elliott mithalten konnte, während sie gemeinsam losstürmten. So schnell und leichtfüßig wie zwei Katzen überquerten sie den sandigen Uferabschnitt und kletterten den Kieshügel hinauf, der sie zur Höhlenwand und den Lavaröhren brachte.
    Nach einer Weile verlor Will jegliches Zeitgefühl, und es erschien ihm, als hätten sie das Lager innerhalb weniger Minuten erreicht, obwohl er wusste, dass der Weg wesentlich länger gedauert haben musste. Das Ganze war so erstaunlich mühelos gewesen, als hätte er sich außerhalb seines Körpers befunden – ein Zuschauer, der jemand anderem dabei zusieht, wie er die Strecke schnaufend und schwitzend mit doppelter Geschwindigkeit zurücklegt.
    Elliott kletterte das Seil hinauf, dicht gefolgt von Will. Im Lager angekommen, fegte das Mädchen wie ein Wirbelwind durch die Räume und schleppte die Ausrüstungsgegenstände heran, die sie mitnehmen wollte. In rasender Eile rannte sie von Höhle zu Höhle, als hätte sie alles für diesen Notfall geplant und wüsste genau, was zu tun war.
    Im Hauptraum, den Will nur einmal zu sehen bekommen hatte, riss sie die Ausrüstung von den Wandhaken und fegte alle möglichen Sachen aus den Fächern der alten Metallspinde. In null Komma nichts war der Boden mit weniger wichtigen Dingen übersät, die sie ungeduldig zur Seite trat, wenn sie ihr im Weg lagen. Die Teile der Ausrüstung, die sie mitnehmen wollte, platzierte sie im Durchgang, wo Will sie unaufgefordert in zwei ziemlich ausladende Rucksäcke und zwei große Beutel mit Kordelverschlüssen packte.
    Plötzlich hielt Elliott inne. Will schaute von der Tür auf, wo er auf dem Boden kniete. Das Mädchen stand außerhalb seiner Sichtweite hinter einem der Etagenbetten vor Drakes Spind, dessen Inhalt sie rasch durchwühlt hatte. Als sie langsam um das Bett herumkam, richtete Will sich auf. Elliott hielt irgendetwas in den Händen, das ihre gesamte Aufmerksamkeit zu fesseln schien. Sie trug es so behutsam, dass Will ihre Ehrfurcht vor dem Gegenstand förmlich spüren konnte.
    »Drakes Ersatz-Sichtgerät«, erklärte sie, während sie vor dem Jungen stehen blieb und ihm die Hände entgegenstreckte, als erwartete sie, dass er es entgegennahm.
    Will betrachtete die Lederkappe mit der milchig-trüben Linse und den beiden Kabeln, an denen ein kleines, flaches Kästchen sanft hin und her schaukelte.
    »Wie bitte?«, fragte er stirnrunzelnd.
    Elliott reagierte nicht und hielt ihm stattdessen das Gerät weiterhin entgegen.
    »Für mich?«, staunte er und nahm es ihr aus der Hand. »Wirklich?«
    Sie nickte.
    »Woher hat Drake all diese Sachen?«, erkundigte Will sich, während er das Sichtgerät inspizierte.
    »Er hat sie selbst angefertigt. Das war seine Arbeit in der Kolonie … die Styx-Wissenschaftler hatten ihn einkassiert.«
    »Was meinst du mit ›einkassiert‹?«, hakte Will rasch nach.
    »Drake war ein Übergrundler, genau wie du.«
    »Ich weiß – das hat er mir erzählt«, sagte Will.
    »Die Styx haben ihn gekidnappt. In regelmäßigen Abständen marschieren sie an die Erdoberfläche und entführen Leute mit Fähigkeiten, die sie benötigen.«
    »Nein«, stieß Will fassungslos hervor. »Und was waren Drakes Fähigkeiten? War er in irgendeiner Armee oder so was? Angehöriger eines Kommandos?«
    »Er war Konstruktionsingenieur für optische Systeme« ,sagte Elliott und sprach die Worte vorsichtig aus, als übte sie ihre Zunge in einer neuen, unbekannten Sprache. »Die hier hat er übrigens auch gefertigt.« Sie legte ihre Hand auf das Zielfernrohr an ihrem Gewehr, das über ihrer Schulter baumelte.
    »Du machst wohl Witze«, sagte Will und wog das Sichtgerät in den Händen. Er erinnerte sich daran, dass Elliott einmal erwähnt hatte, die Styx hätten jemanden entführt mit der Fähigkeit zur Entwicklung von Geräten, mit deren Hilfe sie durch die Dunkelheit schauen konnten. Aber Drake? Bilder des großen Mannes schossen Will durch den Kopf: der von Narben bedeckte, hagere Naturbursche, der ihm so großen Respekt eingeflößt hatte – im Vergleich zu den Langweilern in weißen Laborkitteln, die sich über irgendwelche elektronischen Geräte beugten. Die beiden Bilder waren für Will unvereinbar. »Ich dachte wirklich, Drake wäre eine Art Soldat«, murmelte er nach einer Weile und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und dass er aus der Kolonie in die Verbannung geschickt worden wäre. Genau wie du.«
    »Ich bin nicht