Tunnel - 02 - Abgrund
folgte, konnte sie im schwachen Licht eine Art Brachland erkennen, das von Unkraut überwuchert und von niedrigen Sträuchern eingefasst war.
Der Kater sauste an einem ausgebrannten Wagen vorbei in eine der hinteren Ecken des Geländes. Er schien genau zu wissen, wohin er wollte. Plötzlich hielt er ruckartig inne und reckte schnuppernd die Nase in die Luft, während Sarah sich bemühte, zu ihm aufzuschließen.
Als sie ihn fast erreicht hatte, ließ ihr Instinkt sie herumwirbeln, um sicherzugehen, dass ihnen niemand gefolgt war. Doch als sie sich erneut zum Kater umdrehte, schien dieser wie vom Erdboden verschluckt. Obwohl ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt waren, hatte sie nicht die geringste Ahnung, wohin er verschwunden sein konnte. Außer dichtem Grasgestrüpp, das in der matschigen Erde wuchs, ließ sich nicht viel erkennen. Sarah holte ihre Schlüsselringlampe aus der Tasche und ließ ihren Schein über den Boden vor ihr schweifen. Ein paar Meter von ihrem Standort entfernt entdeckte sie plötzlich den Kopf des Katers, der seltsamerweise aus der Erde hervorzusprießen schien.
Dann verschwand der Kopf wieder und entzog sich ihrer Sicht. Sarah lief zu der Stelle und stieß auf eine Art Graben, der zum Großteil mit einer dicken Sperrholzplatte abgedeckt war. Tastend schob sie die Hand darunter, um zu überprüfen, was sich unter der Platte befand. Offenbar eine ziemlich große Grube, wie sie erstaunt feststellte. Trotz der schmerzenden Rippen hievte sie die Platte stöhnend so weit zur Seite, bis sie durch die Öffnung passte.
Als sie ein Bein vorsichtig in die Dunkelheit hinabließ, gab der lose Boden unter ihr auf einmal nach, und Sarah verlor das Gleichgewicht. Mit hilflos rudernden Armen versuchte sie, sich irgendwo festzuklammern, um ihren rapiden Sturz aufzufangen, fand jedoch nichts, was Halt bot. Sie fiel fast zwei Meter in die Tiefe und landete mit einem heftigen Aufschlag auf dem Hintern. Während sie leise vor sich hin fluchte, wartete sie darauf, dass der Schmerz nachließ, und schaltete dann ihre kleine Taschenlampe wieder ein.
Zu ihrer großen Überraschung befand sie sich in einer Grube, in der massenweise Knochen herumlagen. Der gesamte Boden war mit säuberlich abgenagten Skelettteilen übersät, die im Schein ihrer Lampe weiß aufleuchteten. Sarah nahm eine Handvoll in die Hand, wählte einen winzigen Oberschenkelknochen aus und untersuchte ihn. Als sie sich umsah, entdeckte sie mehrere kleine Schädel, die allesamt Bissspuren trugen und bei denen es sich aufgrund der Größe um die Überreste von Kaninchen oder Eichhörnchen handeln konnte. Und dann bemerkte sie einen wesentlich größeren Schädel mit ausgeprägten Fangzähnen.
»Ein Hund«, erkannte sie sofort. Neben dem Knochen lag ein breites Lederhalsband, an dem dunkelrotes, getrocknetes Blut klebte.
Sie befand sich in der Höhle des Jägers!
Plötzlich erinnerte sie sich wieder an den Zeitungsartikel, den sie im Hotel gelesen hatte.
»Dann bist du das Tier, das all die Hunde gerissen hat!«, sagte sie. »Du bist also die Bestie von Highfield«, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu und drehte den Kopf in die Richtung, aus der sie die regelmäßige Atmung des Katers in der Dunkelheit hören konnte.
Sie rappelte sich auf, wobei die Schädel und Skelettteile unter ihren Füßen knacksten, und erkundete den Tunnel, der von der Knochengrube fortführte. Die Seiten des Schachts waren mit alten Holzstempeln abgestützt, die jedoch nicht sehr solide wirkten, wie ihr geschultes Auge sofort erkannte. Überall fanden sich Anzeichen von Weichfäule, und die zahlreichen grünen Flächen deuteten auf einen extrem hohen Feuchtigkeitsgehalt. Viel schlimmer war jedoch die Tatsache, dass nicht annähernd genügend Stempel vorhanden waren, um die Decke des Schachts zu tragen. Es schien, als hätte jemand eine Reihe der Stützen willkürlich entfernt, und zwar ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, welche Auswirkungen das haben konnte. Sarah schüttelte den schmerzenden Kopf. Dies war ganz gewiss nicht der sicherste Aufenthaltsort, den man sich vorstellen konnte, aber in diesem Moment bildete das ihre geringste Sorge. Sie brauchte eine Zufluchtsstätte, um sich von ihren Verletzungen zu erholen.
Der Gang führte sie tiefer in die Erde, bis er sich schließlich zu einem großen Raum öffnete. Auf dem Boden entdeckte sie mehrere Laufbretter, deren Oberfläche mit wild wuchernden Weißfäuleranken bedeckt war. Auf den Brettern hatte jemand
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