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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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feststellen, dass Chester ihn noch immer am Arm festhielt.
    »Lass mich los!«, rief er und versuchte, sich zu befreien.
    »Nein!«, brüllte Chester ihn an.
    »Aber ich muss zu ihm!«, drängte Will und wand sich.
    Chester ließ seinen Freund los, der jedoch nach wenigen Schritten innehielt. Irgendetwas passierte gerade – sie konnten es beide hören.
    »Was zum Teufel …?«, keuchte Chester, als weitere Klicktöne erklangen. Gedämpfte, trocken klingende Klicktöne, die lauter wurden und immer schneller aufeinanderfolgten, bis es klang wie eine Maschinengewehr-Salve. Die entsetzten Jungen sahen sich fieberhaft um und versuchten herauszufinden, aus welcher Richtung die pulsierende, hämmernde Kakofonie kam. Doch das ließ sich nicht feststellen – in der Höhle, in der Cal lag, schien alles unverändert.
    »Wir müssen ihn da rausholen!«, schrie Will und stürzte los.
    Gemeinsam rannten sie zu Cal und erreichten ihn gleichzeitig. Misstrauisch musterte Chester die Röhrengebilde um sie herum, während Will sich neben seinen Bruder hockte, um ihn auf den Rücken zu drehen. Sein Körper fühlte sich schlaff und reglos an, seine Augen waren weit aufgerissen und starrten teilnahmslos geradeaus.
    Zunächst dachten Will und Chester, er wäre nur betäubt. Doch während sie ihn besorgt betrachteten, breiteten sich unter seiner Haut leuchtend violette Linien aus, die das Netzwerk seiner Blutgefäße unterhalb der Augen betonten – wie Tinte, die sich in Wasser auflöst. Diese Blutergüsse wuchsen mit erschreckender Geschwindigkeit an, bis sie Cals Wangenknochen erreichten. Er sah aus, als hätte er zwei riesige Veilchen im Gesicht.
    »Was passiert hier? Was ist mit ihm?«, rief Will mit heiserer, panikerfüllter Stimme.
    Chester starrte ihn fassungslos an. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Hat er sich den Kopf gestoßen oder was?«, brüllte Will.
    Sofort untersuchte Chester Cals Kopf und tastete mit der Hand über dessen Scheitel bis hinunter zum Nacken. Doch er fand nicht die geringste Spur einer Verletzung. »Überprüf seine Atmung«, murmelte er vor sich hin und versuchte, sich an die Maßnahmen im Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern. Vorsichtig hob er Cals Kopf an, beugte sich vor, hielt das Ohr über Nase und Mund des reglosen Jungen und lauschte. Beunruhigt richtete er sich etwas auf und beugte sich dann erneut vor. Er öffnete Cals Mund und zog den Unterkiefer weit nach unten, um sicherzugehen, dass nichts seine Atmung blockierte. Ein weiteres Mal neigte Chester den Kopf und lauschte. Schließlich blies er die Backen auf, stieß die Luft aus, ging wieder in die Hocke und legte Cal eine Hand auf die Brust.
    »Um Gottes willen, Will! Ich glaub, er atmet nicht mehr!«
    Will packte den schlaffen Arm seines Bruders und schüttelte ihn.
    »Cal! Cal! Komm schon! Wach auf!«, rief er.
    Dann legte er dem Jungen zwei Finger an den Hals, tastete nach der Halsschlagader und versuchte verzweifelt, einen Pulsschlag zu fühlen.
    »Hier … nein … wo ist er nur? … nichts … WO ZUM TEUFEL IST SEIN VERDAMMTER PULS?«, schrie er. »Mache ich das überhaupt richtig?«, wandte er sich an Chester. In seinen Augen spiegelte sich die schreckliche, erschütternde Erkenntnis, dass er keinen Herzschlag spüren konnte.
     
    Dass sein Bruder tot war.
    In diesem Moment gingen die Klicktöne in ein anderes Geräusch über – ein weiches Plopp wie von einem Sektkorken, allerdings viel leiser, so als käme das Geräusch durch eine Wand.
    Sekunden später war die Luft erfüllt von einem strömenden, wirbelnden Weiß, eine Sintflut, die die Höhle durchdrang und die Jungen vollständig umhüllte. Weiße Partikel tanzten wie Millionen winziger Blütenblätter im Schein ihrer Lampen und verdichteten sich immer stärker. Möglicherweise wurden sie aus den Röhren herausgeschleudert, doch das Gestöber war so stark, dass es sich unmöglich sagen ließ, woher sie stammten.
    »Nein!«, schrie Will schrill.
    Er presste sich eine Hand über Mund und Nase und versuchte, seinen Bruder am Arm über den Boden zu hieven, hinter sich her zum Ausgang der Höhle zu schleifen. Doch er musste feststellen, dass er selbst keine Luft mehr bekam; die Partikel waren wie feiner Sand und verklebten ihm Mund und Nase.
    Er richtete sich etwas auf und schnappte nach Luft, um Chester etwas zuzurufen. »Bring ihn hier raus!«, keuchte er über die unablässigen Plopptöne hinweg.
    Das hätte er seinem Freund gar nicht zu sagen brauchen: Chester hatte sich längst aufgerappelt,

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