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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Gestein gemeißelt worden und wurden nur von zwei hohen Ecktürmen an der Straßenfront überragt. Das unter den Kolonisten als Styx-Zitadelle bezeichnete Bauwerk wirkte zweckmäßig und schmucklos; nicht eine einzige Dekoration an den massiven Mauern lockerte die strenge Geometrie des Gebäudes auf. Kein Kolonist hatte je einen Fuß in die Festung gesetzt, und niemand wusste genau, wie groß sie war oder was sich hinter ihren Mauern abspielte, da das Bauwerk tief in den Fels hineinreichte. Es gab zwar Gerüchte, dass die Zitadelle durch diverse Tunnel mit Übergrund verbunden war, damit die Styx nach Lust und Laune an der Erdoberfläche auftauchen konnten, doch gesehen hatte diese noch niemand.
    Neben der Festung lag ein großes, jedoch deutlich gedrungeneres, zweigeschossiges Gebäude mit zahlreichen kleinen Fenstern. Es galt allgemein als die Zentrale der Militäreinsätze der Styx – auch wenn niemand das so ganz genau wusste – und wurde häufig als die Garnison bezeichnet. Im Gegensatz zur Zitadelle war den Kolonisten der Zugang zu diesem Gebäude nicht strengstens untersagt, und tatsächlich ging eine Reihe der Koloniebewohner, die im Dienst der Styx standen, dort ihrer Arbeit nach.
    Auf dieses Gebäude, die Garnison, steuerte die Kutsche nun zu. Nachdem das Gefährt davor angehalten hatte, folgte Sarah Rebecca zum Eingang, wo ein Polizist in einem Wachhäuschen diensteifrig und mit respektvoll abgewandtem Blick salutierte. In der Eingangshalle übergab das Styx-Mädchen Sarah in die Obhut eines Kolonisten und verschwand dann umgehend.
    Sarah, die vor Müdigkeit kaum noch die Augen aufhalten konnte, warf einen kurzen Blick auf den Mann. Er wirkte kräftig und stämmig, wie die meisten Männer der Kolonie, und unter seinen hochgekrempelten Ärmeln kamen mächtige, muskulöse Oberarme zum Vorschein. Über dem Hemd trug er eine lange schwarze Gummischürze mit einem kleinen weißen Kreuz in der Mitte. Bis auf ein paar kurze weiße Stoppeln war sein Schädel fast kahl geschoren, und unter seinen buschigen Augenbrauen lagen zwei strahlend blaue, allerdings eher kleine Augen. Genau wie Sarah war auch er »reiner Abstammung« – der Ausdruck der Koloniebevölkerung für die Albinos, die direkten Nachfahren einiger Gründungsväter der Kolonie. Genau wie der Polizist im Wachhäuschen hatte er sich gegenüber Rebecca sehr respektvoll verhalten, doch nun warf er immer wieder verstohlene Blicke auf Sarah, die teilnahmslos hinter ihm hertrottete.
    Der Mann führte sie über mehrere Treppen und durch diverse Korridore; ihre Schritte hallten auf dem polierten Steinboden. Die Wände waren schlicht und schmucklos und wurden nur von zahllosen dunklen Eisentüren unterbrochen, die allesamt geschlossen waren. Schließlich blieb er vor einer der Türen stehen und öffnete sie für Sarah. Auch in diesem Raum setzte sich der Steinboden fort, und Sarah entdeckte in einer Ecke eine Bettrolle, die unter einer hoch in die Mauer eingelassenen Scharte lag. Daneben standen eine weiße Emailleschüssel mit Wasser, ein Emaillebecher und ein Teller mit sorgfältig gestapelten Scheiben des in der Kolonie angebauten Herrenschwamms. Durch seine kahle Schlichtheit erinnerte der Raum an eine Mönchszelle oder einen anderen religiösen Zufluchtsort.
    Sarah blieb an der Türschwelle stehen, machte aber keine Anstalten, den Raum zu betreten.
    Der Mann öffnete mehrfach den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn dann aber wieder. Nach mehreren vergeblichen Versuchen fasste er sich schließlich ein Herz.
    »Sarah«, sagte er kaum hörbar und neigte den Kopf in ihre Richtung.
    Langsam schaute sie zu ihm hoch. In ihren Augen lag ein Ausdruck des Unverständnisses, der auf purer Erschöpfung basierte.
    Der Mann warf einen kurzen Blick nach links und rechts, um sicherzugehen, dass niemand sie hören konnte. »Ich sollte eigentlich nicht mit dir reden, aber … erkennst du mich denn nicht mehr?«, fragte er.
    Sarah kniff die Augen zusammen, als versuchte sie, sich auf ihn zu konzentrieren. Dann breitete sich plötzlich ein erstaunter Ausdruck auf ihrem Gesicht aus.
    »Joseph …«, flüsterte sie kaum hörbar, als sie den alten Freund erkannte. Sie waren etwa im selben Alter und hatten sich als Jugendliche nahegestanden. Aber als er und seine Familie harte Zeiten durchmachten und zum Umzug in die Westkaverne gezwungen gewesen waren, um auf den dortigen Feldern zu arbeiten, hatten sie sich aus den Augen verloren.
    Er schenkte ihr ein verlegenes

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