Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
Problemen als Ratgeber.
    Die Menge der Reflexe nahm zu, je näher er den Wohnund Versammlungsbezirken des Friedenshofes kam. Turil meinte, Schatten zwischen den Kreavataren auszumachen. Die GELFAR würde sich nicht nur auf die Kontrollmechanismen des Zeremonienmantels verlassen. Seine beiden persönlichen Betreuer funktionierten sicherlich auch hier, in einer Entfernung von nur wenigen Kilometern zur GELFAR.
    Ein Humanes-Kreavatar schwebte an ihm vorbei. Er hielt die Lippen fest zusammengepresst und brabbelte Unverständliches vor sich hin. Mit den Armen fuchtelte er wild durch die Luft, als müsste er einen Kampf auf Leben und Tod gegen einen unsichtbaren Gegner austragen. Turil schwieg. Den Thanatologen war es hier strikt verboten, Worte und damit Energie zu verschwenden, und schon gar nicht durfte er den Kontakt zu einem der vielen als verrückt geltenden Kreavatare suchen. Erst während des Großen Thang würden sie einander sagen, was zu sagen war, und dann neuerlich ihrer Wege gehen. Solche, die zu alt oder zu schwach geworden waren, würden vom Schiffsdienst in die Archive abgeschoben und durch jüngere Mitglieder des Volkes
ersetzt werden. Über kleine und größere Terrainstreitigkeiten urteilte ein Gremium nach Abwägung der Fakten; über die seltenen Fälle, in denen persönliche Animositäten eine Rolle spielten, wurde durch ein Votum aller aktiven Thanatologen entschieden. Das Prozedere war stets das Gleiche. Turil hatte es bereits sechsmal durchlaufen. Nach einem kargen, gemeinsamen Essen kam es zum »Verhör«. Die reisenden Thanatologen mussten einzeln vor einen nebligen Vorhang treten, hinter dem sich das Gremium der Ältesten verbarg, und ihr Geschäftsgebaren offenlegen. Erreichten oder übertrafen sie die Erwartungen, wurden sie mit rituellen Worten entlastet und so rasch wie möglich wieder hinaus in die Weiten des Kahlsacks geschickt, denn Zeit war Geld. Hatten sie ihre Ziele verfehlt, mussten sie strafweise für einige Zeit Innendienst leisten und darauf hoffen, dass es ihre Nachfolger noch schlechter machten als sie.
    Turil erreichte das Ende des Ganges. Eines der wenigen Außenfenster erlaubte ihm einen Blick auf das bizarr wirkende Umfeld des Friedenshofes. Auf diese endlose, alles verschluckende Schwärze, in deren Zentrum ein einziges, kleines Licht glühte. Der Friedenshof Grau befand sich seit geraumer Zeit in unmittelbarer Nähe zu Mantalnip, einem der größten Schwarzen Löcher des Kahlsacks. Mantalnip fraß die Sterne in seinem Umfeld, zeigte sich unersättlich, reichte dank seiner Kräfte wie ein Krake weit über hundert Lichtjahre ins Innere des Kahlsacks hinein. Nur eine einzelne Sonne widerstand seinem Hunger: Nostarum. Sie stand, von zwei namenlosen Planeten umkreist, zwischen ihnen und dem Ereignishorizont des Schwarzen Loches. Seit fünfhundert Jahren oder mehr bemühten sich Forscher, Wissenschaftler und Abenteurer vergebens, an
die beiden Welten heranzukommen und die Schätze, die angeblich dort lagerten, zu bergen. Der Rote Riese trieb in einer seltsamen, durch keine naturwissenschaftlichen Gesetze erklärbaren Verwerfungszone, auf die die Kräfte Mantalnips keinen Einfluss hatten.
    »Konzentrier dich!«, wisperte ihm der Zeremonienmantel zu, der längst wieder zu seiner früheren Aufdringlichkeit zurückgefunden hatte. »Erledige deine Aufgaben so, wie man es von dir erwartet. Denk daran: Wenn du deines Amtes enthoben wirst und einen Nachfolger bestimmst, dann wählst du das schwächste Mitglied deines Volkes aus. Ich werde dir beizeiten einen Namen nennen.«
    Das war der Plan der GELFAR. Sie wollte sich einen Thanatologen angeln, den sie in ihrem Sinne bearbeiten und beherrschen konnte. So, wie es die TARAIL mit dem alten Kiriast tat. Die Schiffssphären benötigten zwar einen Kommandanten, der ihre Funktionen bediente; doch sie wünschte sich einen, der willfährig und schwach war. Einen Knöpfchendrücker, der nicht nach dem Warum fragte.
    »Ich tue, was ich tun muss«, quetschte Turil zwischen zusammengepressten Kauleisten hervor.
    »So ist es brav. Und wag es ja nicht, dich noch einmal gegen mich zu stellen. Du hast mich überrascht, doch das wird dir kein zweites Mal gelingen. Du kannst mich nicht deaktivieren oder lahmlegen. Ich erkenne jeden deiner Gedanken im Ansatz.« Der Zeremonienmantel presste heftig gegen seinen Unterleib. Erst nach Sekunden ließ er wieder locker und gab sich den Anschein eines ganz normalen Arbeitsgewandes.
    Turil ging weiter, nachdem der

Weitere Kostenlose Bücher