Turils Reise
Beschleunigungsphase würde einen halben Standardtag in Anspruch nehmen, um kurze Zeit später in einen kontrollierten Abbremsvorgang zu kippen. Am Ende des zweiten Tages würden sie Faurum erreichen.
»Was erwartet Kix Karambui wirklich von uns?«, fragte Chinchin/Ofenau leise. »Als er uns erschaffen ließ, musste er sich dessen bewusst gewesen sein, dass wir ihn durchschauen würden.«
»Tun wir das denn?« Sorollo blickte ihn nachdenklich an. Chinchin/Ofenau erkannte als neue Gesprächspartnerin die Debüntin Bo, dieses überaus spröde Wesen.
»Kix Karambui arbeitet an Plänen, die sich über Jahrhunderte erstrecken, vielleicht auch über noch längere Zeiträume«, fuhr die Analytikerin fort. »Er manipuliert die Bewohner ganzer Planeten, er betreibt Feldforschung in großem Stil. Er formt und dehnt Moralvorstellungen, wie er es will. Wer garantiert uns, dass er nicht schon längst die Einwohnerschaft des gesamten Kahlsacks in seine Versuche mit einbezogen hat? Vielleicht spielt er uns bloß den minderbemittelten, armseligen Robot vor, den jedermann gängelt und der keine wirkliche Macht besitzt? Wie kommt es, dass es kein bekanntes Vorbild für seine körperliche Erscheinungsform gibt? Hat er seine ehemaligen Schöpfer getötet und deren Rolle übernommen? Wo befinden sich die drei anderen überlebenden Savoir-Roboter seiner Baureihe, von denen er immer wieder faselt? Gibt es sie denn überhaupt? Womöglich verändert er seit Jahrtausenden unsere Realität und betrachtet die Welten des Kahlsacks als sein ganz persönliches Spielzeug? Womöglich ist er sogar jenes gottähnliche Wesen, das uns alle erschaffen hat?
Um uns wie Laborratten zu beobachten, mit uns zu experimentieren?«
»Das ist alles sehr weit hergeholt«, sagte Chinchin/Ofenau. Die anderen Sparten des Ofenau-Bewusstseins wollten sich ebenfalls äußern. Manche von ihnen waren erschrocken ob dieser Gedanken, die an den Grundfesten ihres Weltbildes rüttelten. Andere wollten wütend aufbrausen und Sorollo beschimpfen. Doch Chinchin behielt den hart umkämpften Platz an der Oberfläche, selbst gegen Lux Daibi. »Ich glaube nicht an einen großen Plan, und schon gar nicht an einen großen Planer . Der Kahlsack ist, was er ist. Eine Laune der Natur. Ein in sich begrenztes Universum. Jeder weiterführende Gedanke, der die Existenz lenkender Mächte oder übermächtiger Götter beinhaltet, schadet uns und unserer Mission. Lass uns im Rahmen unserer Möglichkeiten arbeiten. Erfüllen wir unseren Auftrag. Rechtfertigen wir sein Vertrauen in uns. Dann wird er uns vielleicht die Freiheit geben. Irgendwann.«
»Ja, irgendwann.«
»Ich habe eine Nachricht aus einem Kavernentrakt Faurums erhalten«, meldete sich plötzlich das Schiffsgehirn der ZABETT zur Wort.
»Sag schon.« Alle Sparten Ofenaus waren gereizt und müde. Sorollo hatte sich ihnen heute im Bett verwehrt.
»In Atarakt gibt es einen Eindringling. Jemanden, der imstande war, die Sicherheitsvorkehrungen außer Kraft zu setzen.«
»Ach ja?« Ofenau verschaffte sich alle verfügbaren Informationen über eines der größeren unterirdischen Lager auf Faurum. Es überraschte ihn kaum, dass ausgerechnet der Kitar, das Objekt ihres Interesses, dort gefangen gehalten wurde.
»Die Dinge geraten in Bewegung«, hatte Kix Karambui vor ihrer Abreise gesagt und sich auf sein Vorderbein fallen lassen. »Begeht nur ja nicht den Fehler, an Zeichen, Zufälle oder Omen zu glauben. Es kommt eine Zeit, da das Gefüge im Inneren des Kahlsacks zusammenbricht und etwas völlig Neues entsteht. Ich beobachte seit geraumer Zeit, wie sich alles ändert. Viele kleine, kleinste Dinge weisen auf das Ende der Zeit hin, wie wir sie kennen. Aber was wird danach geschehen? Gibt es ein Danach? Viele Fäden laufen zusammen und bilden ein kaum mehr zu entwirrendes Knäuel, in dessen Zentrum die Wahrheit liegt. Die Antwort auf all unsere Fragen. Wir müssen die Ersten sein, die es schaffen, dorthin vorzudringen. Und ihr wisst, wie man das anstellt?«
»Man arbeitet mit Gewalt «, hatte Sorollo geantwortet.
»Richtig, meine Liebe. Ich habe viel zu viel Zeit damit verbracht, im Stillen zu wirken und Dinge in Bewegung zu setzen, um jetzt ruhig sitzen zu bleiben und weitere Entwicklungen abzuwarten. Ich habe Weichen gestellt, Fallen errichtet, so viele Eventualitäten wie möglich in meine Planungen einbezogen und ganze Welten nach meinen Wünschen geformt. Nun müssen wir so stark wie möglich an unserem Seilende ziehen und
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