Turils Reise
niemals mehr wieder verlassen«, sagte Dirdar plötzlich und ungefragt.
»Ta?«
»Die Lebensplatte. Meinen Elektrolysepartner. Kix Karambui hat durch ihn meine Leistungsfähigkeit verstärkt und dafür gesorgt, dass ich elektromagnetische Prozesse verstehe . Solange Ta in einer Bodenhalterung ruht, erhalte ich Kontakt zu weiten Bereichen Atarakts und kann den Großteil der systemerhaltenden Prozesse steuern.«
»Du bist also eine Art lebender Rechenprozessor.«
»Ja. Aber sag, wie ist es oben?«
»Oben?«
»Im Dschungel.«
»Dampfig. Feucht. Voll von Leben. Deine ehemaligen Landsleute sprechen allerdings von einer Dürrekatastrophe, weil es seit über einem Jahr nur noch zweimal pro Tag regnet.«
»Stimmt. Das ist zu wenig. Der Dschungel und wir Oroptiker leben in einem sehr labilen Gleichgewicht miteinander. Wenn das eine stirbt, leidet auch das andere.«
»Und was ist mit den Karantikern?«
»Was soll mit ihnen sein?« Dirdars Tonfall klang abfällig.
»Spielen sie denn keine Rolle in diesem planetaren Gefüge?«
»Sie waren früher unsere Haustiere. Wir haben sie im Dschungel ausgesetzt und angehalten, die Landschaft zu pflegen. Eine dumme Idee, eine äußerst dumme. Sie sind nichtsnutzige Geschöpfe. Als ich letztmals das Sonnenlicht sah und mit meinem Vater auf seinem Körperschiff nach Süden reiste, erzählte er mir, wie sehr sie uns schädigen.
Ich werde seine Worte niemals vergessen. Karkarkar war ein weiser, ein gerechter Vater, dem ich ein glückliches Leben verdankte. Bis mich Kix Karambui einfing.«
Turil sagte nichts. Jedes Wort war ein Wort zu viel. Er wollte weder Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit Karkarkar wecken, noch nutzte es Dirdar, wenn er ihm von seinem Aufenthalt auf dem riesigen Oroptiker erzählte. Ganz im Gegenteil: Es bestand die Gefahr, dass der Wächter dann die Zusammenarbeit aufkündigte und seinen Tod gelassen hinnahm.
»Wie weit ist es noch bis zu den Zellen der Gefangenen?«
»Wir sind gleich da.« Die Kinder trugen Dirdar hinab in die untersten Teile der Kavernen, in Bereiche, die den kleinen Oroptikern aufgrund der Trockenheit und mangelnden Luftfeuchtigkeit sichtlich zusetzten. Nach einer Weile verbreiterte sich der Weg. Er verlief nun eben, an mehreren Stalagnaten mit beeindruckendem Durchmesser vorbei, bevor er in einem nahezu kreisrunden Höhlenraum endete. Freundliches Licht beschien drei durch Steinmauern voneinander getrennte Areale. Transparente Zugangstore zu den jeweiligen Einheiten waren durch vollautomatische Waffensysteme gesichert. Laserstrahlen tasteten unruhig über den Boden, kleine robotische Kampfeinheiten patrouillierten von links nach rechts, von rechts nach links, ohne sich um die Neuankömmlinge zu kümmern.
»Sag mir, wer hier lebt.«
»Links befindet sich ein Khonosside. Mehr weiß ich nicht. Ich habe ihn niemals gesehen. Nahrungszufuhr und ärztliche Versorgung erfolgen vollautomatisch, durch Maschinenwesen, über die ich keine Kontrolle habe.«
Ein Khonosside … Einer der wenigen also, die gerüchteweise noch existierten, obwohl sie seit geraumer Zeit als
verschollen galten. Ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten galten als atemberaubend; doch nur, wenn sie mit einem Körperbrocken der Gänzlichkeit von Lum in Berührung kamen. Turil ahnte, dass Kix Karambui den Khonossiden nur deshalb hier versteckt hielt, um das planetare Wesen, das Mitglied von ARMIDORN war, zu erpressen oder zumindest in seinem Sinne zu beeinflussen.
»Im mittleren Bereich steckt ein Choronist. Ein Zeitenwanderer.«
Turil stockte der Atem. Wie konnte der Sekretär ARMIDORNs es bloß wagen, dieses gefährliche Geschöpf gefangen zu halten? Niemand wusste, was sie waren und, vor allem, wann sie waren.
»Rechts befindet sich ein Kitar«, sagte Dirdar. Er zögerte. »Wenn du wegen dieses armseligen Geschöpfs die Kavernen erobert hast, dann bist du ein größerer Narr, als ich dachte.«
»Warum sagst du das?«
»Er liegt seit seiner Ankunft in einer kathartischen Starre. Er bewegt sich nicht, er isst nicht, er trinkt nicht. Er hat noch nicht einmal einen einzigen Atemzug getan. Wenn du mich fragst, wurde er schon als Toter hierhergebracht.«
11 - SCHICKSAL UND ZUFALL ?
Fünf der sechs Sparten Ofenaus kümmerten sich um die Schiffssteuerung, vor allem um die Kontrolle der Photonensegel. Die Folien waren weit aufgefächert und nahmen mittlerweile eine Fläche von mehr als 50 000 Quadratkilometern ein. Jede Sekunde erreichten ihn mehr als dreihundert
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