Turm der Hexer
Liebes?«
Ce’Nedra wurde rot. »Ich dachte, es wäre mehr… nun…«, stammelte sie zu ihrer Verteidigung.
»Ce’Nedra«, sagte Polgara, »du brauchst nicht so verlegen zu sein. Du bist doch noch ein junges Mädchen. Es hat noch Zeit. Das kommt schon noch.«
»Ich bin so flach«, jammerte die Prinzessin fast verzweifelt.
Dann kam ihr ein Gedanke. »Du könntest wohl nicht…?« Sie machte eine Geste.
»Nein, Kind«, sagte Polgara entschieden. »Das wäre nicht gut. Es würde seltsame Dinge an deinem notwendigen inneren Gleichgewicht anrichten, und mit so etwas soll man nicht leichtfertig herumspielen. Hab Geduld. Wenn sonst nichts hilft, werden dich ein paar Kinder auf jeden Fall ausfüllen.«
»Ach, Polgara«, sagte Ce’Nedra mit einem hilflosen Lachen, »du scheinst immer alles zu wissen. Du bist wie die Mutter, die ich nie hatte.« Impulsiv schlang sie die Arme um Polgara.
Polgara rümpfte die Nase. »Ce’Nedra«, schlug sie vor, »warum ziehst du deine Rüstung nicht aus? Du riechst wie ein alter Eisenkessel.«
Ce’Nedra begann zu lachen.
In den nächsten Tagen verließen viele Leute Riva in wichtiger Mission. Barak segelte nach Norden nach Val Alorn, um die Ausstattung der cherekischen Flotte zu überwachen. Mandorallen reiste nach Vo Mimbre, um König Korodullin Bericht zu erstatten. Der hitzköpfige junge Lelldorin, der auf Garions Bitte hin begnadigt worden war, nahm ein Schiff nach Asturien, um dort gewisse Vorbereitungen zu treffen. Hettar, Relg und Oberst Brendig reisten nach Camaar, wo sie sich trennen und in ihre jeweilige Heimat reisen wollten, um das letzte Stadium der Mobilmachung zu überwachen. Die Ereignisse, die immer ihr eigenes Tempo haben, begannen sich schneller zu drehen, während der Westen unaufhaltsam auf den Krieg zusteuerte.
24
P rinzessin Ce’Nedra entdeckte schon bald, daß die Alorner ein erstaunlich gefühlsbetontes Volk waren. Sie war von Anfang an gezwungen, die stereotype tolnedrische Ansicht fallenzulassen, nach der diese nördliche Rasse aus brutalen Wilden bestand, die an den Grenzen der Zivilisation räuberisch ihr Leben fristeten. Statt dessen stellte sie fest, daß sie ein außerordentlich vielschichtiges Volk waren, oft subtiler Gefühle fähig.
An dem Wutanfall, den König Anheg hatte, als er ein paar Tage später ins Ratszimmer stürzte, war jedoch nichts Subtiles. Seine Augen quollen hervor, und sein Gesicht glühte: »Hast du eine Ahnung, was du getan hast?« bellte er Ce’Nedra an.
»Wem angetan, Eure Majestät?« erwiderte sie gelassen.
»Cherek!« brüllte er, wobei seine verbeulte Krone über ein Ohr herabrutschte. »Dein kleines Spielchen hat meine Frau auf die geniale Idee gebracht, daß sie mein Land regieren will, wenn ich fort bin.«
»Sie ist deine Gattin, König Anheg«, sagte Ce’Nedra kühl. »Es ist nur angemessen, daß sie sich in deiner Abwesenheit um das Reich Gedanken macht.«
»Gedanken?« Er kreischte fast. »Islena hat keine Gedanken. Zwischen ihren Ohren ist nur leere Luft.«
»Warum hast du sie dann geheiratet?«
»Jedenfalls nicht wegen ihrer Gedanken.«
»Vielleicht überrascht sie dich ja, Anheg«, meinte König Rhodar amüsiert.
»Das einzige, was mich überraschen würde, wäre, wenn ich noch irgend etwas vorfinden sollte, wenn ich wieder nach Hause komme«, gab Anheg zurück und brach auf einem Stuhl zusammen. »Und ich kann nichts unternehmen, um ihr Einhalt zu gebieten. Was ich auch sage, sie wird den Thron besteigen, sobald ich fort bin. Es wird eine Katastrophe. Frauen haben in der Politik nichts zu suchen. Ihre Gehirne sind dafür zu weich.«
»Ich fürchte, mit dieser Ansicht wirst du dich in dieser Runde nicht gerade beliebt machen, Anheg«, kicherte König Rhodar, als er Polgara ansah. Eine ihrer Augenbrauen war bei Anhegs letzter Bemerkung in die Höhe geschossen.
»Oh, tut mir leid, Polgara«, murmelte Anheg verlegen. »Ich meine natürlich nicht dich. Dich sehe ich eigentlich gar nicht als Frau.«
»Ich würde es dabei bewenden lassen, Anheg«, riet König Rhodar.
»Heute hast du schon in genug Fettnäpfchen getreten.«
»Das finde ich allerdings auch, Rhodar«, sagte Polgara kalt. »Die Bemerkungen des Königs von Cherek sind sehr interessant.« Anheg stöhnte.
»Ich kann dich wirklich nicht verstehen, mein Freund«, sagte König Rhodar zu Anheg. »Du hast dir die beste Bildung des Nordens angeeignet. Du hast Kunst und Dichtung und Geschichte und Philosophie studiert, aber in diesem Punkt bist
Weitere Kostenlose Bücher