Turm der Hexer
du so stur wie ein ungebildeter Bauer. Was stört dich so sehr an der Vorstellung einer Frau mit Autorität?«
»Es ist… es ist unnatürlich«, platzte Anheg heraus. »Frauen sind nicht zum Regieren geschaffen. Diese Vorstellung verletzt die Ordnung der Dinge.«
»Ich glaube nicht, daß das noch irgendwohin führt«, meinte Polgara. »Wenn die Herren uns entschuldigen, gehen Ihre Majestät und ich, um Vorbereitungen zu treffen.« Sie erhob sich und ging Ce’Nedra voran aus dem Ratszimmer.
»Er ist sehr erregbar, nicht wahr?« fragte Ce’Nedra, während sie durch die Gänge von Eisenfausts Zitadelle zu Polgaras Wohnung gingen.
»Manchmal neigt er zum Dramatisieren«, erwiderte Polgara. »Aber seine Ausbrüche sind nicht immer echt. Manchmal benimmt er sich nur so, weil er glaubt, daß es von ihm erwartet wird.« Sie runzelte die Stirn. »In einem hat er allerdings recht. Islena ist unfähig zu regieren. Wir werden mit ihr sprechen müssen und ebenso mit den anderen Damen.« Sie öffnete die Tür zu ihrer Wohnung, und sie traten ein.
Die meisten Schäden, die Polgaras Raserei angerichtet hatte, waren behoben worden, nur einige Brandspuren an den Wänden zeugten noch von der Gewalt ihrer Wut. Sie setzte sich an den Tisch und nahm einen Brief zur Hand, der an jenem Morgen von Königin Porenn aus Drasnien eingetroffen war. »Ich glaube, es ist jetzt ziemlich sicher, daß wir meinen Vater und die anderen nicht mehr einholen können«, sagte sie bedauernd, »aber wenigstens haben wir eine Sorge weniger.«
»Und welche?« fragte Ce’Nedra und ließ sich Polgara gegenüber nieder.
»Es gab einige Zweifel an der Genesung meines Vaters von dem Zusammenbruch, den er letzten Winter erlitt, aber nach dem, was Porenn schreibt, ist er wieder völlig normal wenn das auch keine ungetrübte Freude ist.« Sie legte Porenns Brief beiseite. »Ich glaube, es ist Zeit, daß wir uns einmal unterhalten, Ce’Nedra. Du hast in den letzten Wochen viel manövriert und manipuliert. Jetzt will ich genau wissen, was dahintersteckt. Warum hast du allen Leuten deinen neuen Status eingehämmert?«
Ce’Nedra errötete. »Ich bin schließlich die Rivanische Königin, Dame Polgara«, antwortete sie steif.
»Sei nicht albern. Du trägst eine fiktive Krone, weil Rhodar sie dich tragen läßt und weil er Anheg und Brand und Cho-Hag davon überzeugt hat, daß du kein Unheil anrichten kannst.«
Ce’Nedra wand sich unbehaglich.
»Was steckt also dahinter?« Polgaras Blick war sehr direkt.
»Wir müssen die Arendier und die Legionen meines Vaters gewinnen«, sagte sie, als ob das etwas erklärte.
»Das ist offensichtlich.«
»Aber die alornischen Könige können das nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ein Komitee nicht die Herzen der Menschen gewinnen kann.« Jetzt war es heraus, und Ce’Nedra sprach hastig weiter. »Garion hätte es tun können. Der gesamte Westen hätte sich auf den Ruf des Rivanischen Königs hin erhoben, aber Garion ist nicht da, also muß ein anderer es tun. Ich habe Geschichte studiert, Dame Polgara. Keine Armee, die von einem Komitee geleitet wurde, hatte je Erfolg. Der Erfolg einer Armee hängt von der Stimmung der Soldaten ab, und Soldaten brauchen einen Führer jemanden, der ihre Phantasie beflügelt.«
»Und dazu hast du dich selbst auserkoren?«
»Es muß niemand sein, der geistreich ist, aber er muß sichtbar sein und ungewöhnlich.«
»Und du glaubst, daß eine Frau ungewöhnlich und sichtbar genug ist, um eine Armee aufzubauen und nebenbei auch noch bedrohlich genug, um die ungeteilte Aufmerksamkeit von Taur Urgas und ’Zakath, dem malloreanischen Kaiser, auf sich zu ziehen?«
»Na ja, es ist noch nie versucht worden«, verteidigte sich Ce’Nedra.
»Viele Dinge sind noch nie versucht worden, Ce’Nedra. Das ist nicht unbedingt die beste Empfehlung. Und was hat dich zu der Überzeugung gebracht, daß ich nicht dafür geeignet sei?«
Ce’Nedra schluckte schwer. »Du warst so wütend«, stammelte sie, »und ich wußte nicht, wie lange das noch dauern würde. Jemand mußte sofort etwas unternehmen. Außerdem…« Sie zögerte.
»Sprich weiter.«
»Mein Vater mag dich nicht«, sagte Ce’Nedra schnell. »Er würde seinen Legionen nie befehlen, dir zu folgen. Ich bin die einzige, die eine Chance hat, ihn davon zu überzeugen, daß er sich uns anschließen muß. Es tut mir leid, Polgara. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
Polgara wischte ihre Entschuldigung jedoch beiseite. Ihr Gesicht war nachdenklich,
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