Turm der Hexer
zufällig einen Weg durch die Höhlen von Ulgo kennst, der von Prolgu bis an den Südrand Sendariens führt.«
»Das ist ein sehr langer Weg.«
»Bei weitem nicht so lang wie über die Berge«, erklärte Belgarath. »In den Höhlen gibt es keinen Schnee und keine Ungeheuer. Gibt es einen solchen Weg?«
»Ja«, gab Relg zu.
»Und würdest du uns führen?« drängte der alte Mann.
»Wenn ich muß«, sagte Relg etwas zögernd.
»Ich glaube, du mußt, Relg.«
Relg seufzte. »Ich hatte gehofft, jetzt, da unsere Reise fast vorbei ist, nach Hause zurückkehren zu können«, sagte er bedauernd.
Belgarath lachte. »Unsere Reise hat eigentlich gerade erst begonnen, Relg. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
Taiba lächelte bei diesen Worten erfreut.
Garion fühlte, wie sich eine kleine Hand in seine stahl, und er lächelte zu Botschaft hinunter, der gerade hereingekommen war. »Ist es in Ordnung, Tante Pol?« fragte er. »Wenn ich reiten gehe, meine ich.«
»Natürlich, Lieber«, antwortete sie. »Aber sei vorsichtig. Versuche nicht, vor Adara anzugeben. Ich möchte nicht, daß du vom Pferd fällst und dir etwas brichst.«
Botschaft ließ Garions Hand los und ging auf Relg zu. Die Knoten an dem Beutel, die Durnik so sorgfältig mit Blei versiegelt hatte, waren wieder gelöst, und der kleine Junge nahm das Auge heraus und bot es Relg an. »Botschaft?«
»Warum nimmst du es nicht, Relg?« fragte Taiba den verblüfften Mann. »Kein Mensch auf der Welt stellt deine Reinheit in Frage.«
Relg trat zurück und schüttelte den Kopf. »Das Auge ist der heilige Gegenstand einer anderen Religion«, erklärte er. »Es ist von Aldur, nicht von UL, also wäre es nicht recht, wenn ich es berührte.«
Taiba lächelte wissend, ihre violetten Augen ruhten auf dem Gesicht des Fanatikers.
»Botschaft«, rief Tante Pol. »Komm her.« Gehorsam ging er zu ihr.
Sie ergriff den Beutel an seiner Hüfte und hielt ihn auf. »Leg es hinein«, befahl sie.
»Wie schafft er es bloß, das Ding immer wieder zu öffnen?« sagte sie halb zu sich selbst, während sie die Riemen des Beutels überprüfte.
Garion und Adara ritten von der Feste aus auf die sanften Hügel im Westen zu. Der Himmel war tiefblau, und die Sonne strahlte hell. Obwohl der Morgen noch frisch war, war es bei weitem nicht mehr so kalt wie in den vergangenen Wochen. Das Gras unter den Hufen der Pferde war braun und leblos und lag schlafend unter dem Winterhimmel. Sie ritten etwa eine Stunde lang, ohne zu reden, dann hielten sie schließlich auf der sonnigen Südseite eines Hügels, der Schutz vor dem kalten Wind bot, und stiegen ab. Gemeinsam blickten sie auf die leere Weite der algarischen Ebene hinaus.
»Wieviel kann man mit Zauberei wirklich erreichen, Garion?« fragte sie nach langem Schweigen.
Er zuckte die Achseln. »Das kommt darauf an, wer es versucht. Manche Leute sind sehr mächtig, andere können kaum etwas ausrichten.«
»Könntest du…« Sie zögerte. »Könntest du diesen Busch blühen lassen?« Sie sprach schnell weiter, und er wußte, daß dies nicht die Frage war, die sie eigentlich hatte stellen wollen. »Jetzt, meine ich, mitten im Winter«, setzte sie hinzu.
Garion betrachtete den trockenen, kümmerlichen Stechginster und überlegte, was er dabei zu tun hätte. »Ich glaube schon«, sagte er, »aber wenn ich es in der falschen Jahreszeit täte, hätte der Busch keinerlei Schutz vor der Kälte und würde erfrieren.«
»Es ist doch nur ein Busch, Garion.«
»Aber warum ihn töten?«
Sie wich seinem Blick aus. »Könntest du für mich etwas geschehen lassen, Garion?« bat sie. »Etwas Kleines. Ich brauche im Moment dringend etwas, an das ich glauben kann.«
»Ich kann es wohl versuchen.« Er verstand ihre plötzliche Niedergeschlagenheit nicht. »Wie wäre es mit so etwas?« Er hob einen Zweig auf, drehte ihn in der Hand und betrachtete ihn genau. Dann wickelte er einige trockene Grashahne darum und studierte ihn wieder, bis er das, was er tun wollte, fest im Gedächtnis hatte. Als er seinen Willen freiließ, geschah es nicht auf einmal, so daß die Veränderung allmählich zustande kam. Adaras Augen wurden groß, als sich das traurige Bündel aus Zweig und Gras vor ihr verwandelte.
Es war keine besondere Blume. Ihre Farbe war von einem blassen Lavendelblau, und ihr Stengel war nicht besonders gerade. Auch war sie ziemlich klein, und ihre Blütenblätter saßen nicht fest. In ihrem Duft lag jedoch die ganze verheißungsvolle Süße des
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