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Turm der Hexer

Turm der Hexer

Titel: Turm der Hexer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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die zu ihren ständigen Gefährtinnen geworden waren, hatte irgendwann einmal der kleinen Prinzessin ihr Herz ausgeschüttet.
    Es gab natürlich auch schlechte Tage, Tage, an denen Ce’Nedra unvernünftig, ungeduldig und launisch war, an denen sie die sanftäugigen Ulgomädchen mit wilden Beschimpfungen davonjagte, so daß sie in Tränen aufgelöst vor ihren unerwarteten Ausbrüchen flohen. Obwohl sie dann beschlossen, nie wieder in ihre Nähe zu gehen, kamen sie doch später zögernd wieder, um sie lächelnd und freundlich vorzufinden, als ob nichts geschehen sei.
    Für die Prinzessin war es eine schwere Zeit. Sie hatte die Folgen ihrer sofortigen Unterordnung unter den Befehl ULs nicht erkannt, mit dem er sie aufgefordert hatte, in den Höhlen zu bleiben, während die anderen nach Rak Cthol reisten. Ihr ganzes Leben lang hatte Ce’Nedra im Mittelpunkt der Ereignisse gestanden, aber hier war sie in den Hintergrund geschoben und gezwungen worden, die vielen langweiligen Stunden zu ertragen, in denen sie nichts weiter tun konnte als warten. Sie war das Warten nicht gewohnt, und die Ausbrüche, die ihre kleinen Kameradinnen wie aufgescheuchte Hühner auseinanderstieben ließen, gingen wohl auf diese erzwungene Untätigkeit zurück.
    Ihre starken Stimmungsschwankungen wirkten besonders auf den Gorim anziehend. Der zerbrechlich wirkende heilige alte Mann hatte jahrhundertelang ein Leben stiller Betrachtung geführt, und Ce’Nedra war in diese Stille hereingeplatzt wie ein Komet. Obwohl er manchmal bis nahe an die Grenzen seiner Geduld gereizt wurde, ertrug er die Anfälle von schlechter Laune, die Weinkrämpfe, die unerklärlichen Ausbrüche und ebenso geduldig ihre plötzlichen heftigen Zuneigungsbeweise, wenn sie ihre Arme um seinen Hals schlang und sein erstauntes Gesicht mit Küssen bedeckte. An jenen Tagen, an denen Ce’Nedras Stimmung freundlich war, scharte sie ihre Gefährtinnen zwischen den Säulen am Ufer der Insel des Gorims um sich, um zu plaudern, zu lachen und die kleinen Spiele zu spielen, die sie sich ausgedacht hatte. Dann war die schwach erhellte stille Höhle erfüllt von dem Gelächter und Geplapper heranwachsender Mädchen. Wenn sie nachdenklich war, unternahm sie mit dem Gorim manchmal kurze Spaziergänge, um die seltsamen Wunder dieser unterirdischen Welt aus Höhlen und Gängen unter der verlassenen Stadt Prolgu zu erkunden.
    Dem ungeübten Auge mochte die Prinzessin so verstrickt in ihr eigenes Feuerwerk der Gefühle erscheinen, daß sie nichts um sich herum wahrnahm, doch das war nicht der Fall. Ihr komplexer Verstand war durchaus in der Lage zu beobachten, zu analysieren und zu folgern, selbst wenn sie sich mitten in einem Wutanfall befand. Zur Überraschung des Gorims hatte sie einen wachen Verstand und ein gutes Gedächtnis. Wenn er ihr die Geschichten seines Volkes erzählte, stellte sie ihm viele Fragen, die immer auf die Bedeutung zielten, die hinter den Geschichten steckte.
    Während dieser Gespräche machte die Prinzessin viele Entdeckungen. Sie entdeckte, daß der Kern des Ulgolebens die Religion war und daß die Moral und das Thema aller Geschichten die Pflicht der bedingungslosen Unterwerfung unter den Willen ULs war. Ein Tolnedrer würde vielleicht Haarspaltereien betreiben oder sogar versuchen, mit seinem Gott einen Handel abzuschließen. Nedra erwartete es und schien das Spiel von Angebot und Gegenangebot ebenso zu genießen wie sein Volk. Der Ulgogeist war jedoch solch beiläufiger Vertraulichkeiten unfähig.
    »Wir waren nichts«, erklärte der Gorim. »Weniger als nichts. Wir hatten keine Heimat und keinen Gott, sondern wanderten ausgestoßen durch die Welt, bis UL einwilligte, unser Gott zu werden. Einige Fanatiker gehen sogar so weit zu behaupten, daß er sich von uns zurückziehen würde, wenn auch nur ein einziger Ulgo sein Mißfallen erregte. Ich gebe nicht vor, den Geist von UL völlig begreifen zu können, aber ich glaube nicht, daß er so unvernünftig ist. Trotzdem, zuerst wollte er ja nicht unser Gott werden, also ist es wahrscheinlich am besten, ihn nicht zu beleidigen.«
    »Er liebt dich«, sagte Ce’Nedra schnell mit Nachdruck. »Das konnte jeder an seinem Gesicht ablesen, als er damals zu uns kam.«
    Der Gorim sah sie zweifelnd an. »Ich hoffe, daß ich ihn nicht allzu sehr enttäuscht habe.«
    »Sei nicht dumm«, sagte die Prinzessin munter. »Natürlich liebt er dich. Jeder liebt dich.« Impulsiv, wie um ihre Worte zu beweisen, küßte sie ihn zärtlich auf

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