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Turm der Hexer

Turm der Hexer

Titel: Turm der Hexer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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die blasse Wange.
    Der Gorim lächelte sie an. »Liebes Kind«, sagte er, »dein Herz ist so offen, daß du automatisch annimmst, daß jeder, den du liebst, dich auch liebt. Aber ich fürchte, das ist nicht immer so. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten in unseren Höhlen, die keineswegs so viel für mich übrig haben.«
    »Unsinn«, widersprach sie. »Nur weil man mit jemandem streitet, heißt das doch nicht, daß man ihn nicht liebt. Ich liebe meinen Vater sehr, aber wir streiten uns sehr oft. Es macht uns Spaß, miteinander zu streiten.« Ce’Nedra wußte, daß sie es sich leisten konnte, Ausdrücke wie ›dumm‹ und ›Unsinn‹ gegenüber dem Gorim zu gebrauchen. Sie hatte ihn inzwischen derart bezaubert, daß sie sicher war, sich ihm gegenüber fast alles herausnehmen zu können.
    Obwohl es schwierig gewesen wäre, jemanden aus ihrer Umgebung davon zu überzeugen, hatte es tatsächlich einige spürbare, wenn auch feine Veränderungen in Ce’Nedras Verhalten gegeben. Wie impulsiv sie diesem ernsten, zurückhaltenden Menschen auch erscheinen mochte, dachte sie inzwischen doch im letzten Moment noch nach wie kurz auch immer –, bevor sie sprach oder handelte. Bei einer Gelegenheit hier in den Höhlen hatte Ce’Nedra sich selbst in arge Verlegenheit gebracht, und Verlegenheit war das einzige, was sie absolut nicht ertragen konnte. Allmählich, kaum merklich, hatte sie den Wert einer gewissen Selbstkontrolle schätzen gelernt, und manchmal wirkte sie fast damenhaft. Sie hatte ebenfalls Zeit gefunden, das Problem Garion zu überdenken. Seine Abwesenheit in diesen langen Wochen war für sie besonders schmerzhaft. Es war, als ob sie etwas verloren hätte etwas sehr Kostbares –, und dieser Verlust hinterließ eine schmerzliche Leere. Ihre Gefühle waren schon immer so verworren gewesen, daß sie sie nie hatte einordnen können. Gewöhnlich wechselten sie so rasch, daß sie nie Zeit hatte, eines zu überprüfen, bevor ein anderes seine Stelle einnahm. Diese Sehnsucht nach etwas Verlorenem hielt jedoch so lange an, daß sie sich schließlich damit auseinandersetzen mußte.
    Es konnte keine Liebe sein. Das war unmöglich. Liebe zu einem Küchenjungen wie nett er auch sein mochte stand völlig außer Frage. Sie war schließlich eine kaiserliche Prinzessin, und ihre Pflicht lag kristallklar vor ihr. Wenn sie auch nur den leisesten Verdacht gehegt hätte, daß ihre Gefühle die Grenzen bloßer Freundschaft überschritten, wäre es ihre unbedingte Verpflichtung gewesen, jeden weiteren Kontakt zu unterbinden. Ce’Nedra wollte Garion nicht fortschicken und nie wiedersehen. Allein der Gedanke daran brachte sie den Tränen nahe. Ganz offensichtlich konnte das, was sie für ihn empfand, keine Liebe sein. Sie fühlte sich sehr viel besser, nachdem sie das herausgefunden hatte. Die Möglichkeit hatte sie beunruhigt, aber jetzt, da die Logik ohne jeden Zweifel bewiesen hatte, daß sie auf sicherem Boden stand, konnte sie sich wieder entspannen. Es war ihr ein großer Trost, die Logik auf ihrer Seite zu wissen.
    Danach blieb nur noch das Warten, das anscheinend endlose, unerträgliche Warten auf ihre Freunde. Wo waren sie? Wann würden sie zurückkommen? Was machten sie nur da draußen in der Welt, das so lange dauerte? Je länger sie wartete, desto öfter wurde sie von ihrer neugewonnenen Selbstkontrolle im Stich gelassen, und ihre hellhäutigen Gefährtinnen lernten, ängstlich jene winzigen Zeichen zu erkennen, die einen baldigen Ausbruch ankündigten.
    Eines Tages schließlich erzählte der Gorim, daß ihn die Nachricht von der bevorstehenden Rückkehr ihrer Freunde erreicht hätte, und die kleine Prinzessin war ganz außer sich vor Freude. Ihre Vorbereitungen waren langwierig und raffiniert. Selbstverständlich würde sie sie angemessen begrüßen. Keine Klein-Mädchen-Begeisterung dieses Mal. Statt dessen würde sie zurückhaltend sein, herrschaftlich und insgesamt erwachsen. Natürlich mußte sie auch dementsprechend aussehen.
    Sie quälte sich stundenlang, bis sie das perfekte Kleid ausgewählt hatte, ein bodenlanges Ulgogewand in schimmerndem Weiß. Ulgokleider waren jedoch eine Spur zu bescheiden für Ce’Nedras Geschmack. Sie wollte zwar reserviert erscheinen, aber doch nicht ganz so reserviert. Nachdenklich trennte sie die Ärmel aus dem Kleid und nahm ein paar Veränderungen am Ausschnitt vor. Ein paar kunstvolle Schnürungen an Taille und Mieder mit schmaler Goldlitze betonten ihre Figur mehr. Kritisch betrachtete

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