Turm der Hexer
vielleicht nicht alles erzählte, aber ihre Miene war vollkommen und undurchdringlich.
Barak lachte laut vor Erleichterung und klopfte Hettar auf den Rükken. »Ich habe dir doch gesagt, daß er gesund wird«, rief er fröhlich. Die anderen drängten sich bereits um Polgara und fragten nach Einzelheiten.
»Er ist wach«, erklärte sie. »Mehr kann ich im Moment nicht sagen außer, daß er schon wieder so liebenswürdig ist wie immer. Er beschwert sich bereits über die Unebenheiten im Bett und verlangt nach starkem Bier.«
»Ich lasse sofort welches hinaufschicken«, sagte Königin Silar.
»Nein, Silar«, widersprach Polgara entschieden. »Er bekommt Fleischbrühe, kein Bier.«
»Das wird ihm aber nicht sehr gefallen«, meinte Silk.
»Ist das nicht furchtbar?« Sie lächelte. Dann drehte sie sich um, als ob sie an das Krankenlager zurückkehren wollte, blieb dann jedoch stehen und sah Garion prüfend an, der zwar erleichtert, aber immer noch in Sorge um Belgaraths Zustand neben Adara saß. »Wie ich sehe, hast du deine Cousine kennengelernt«, sagte sie.
»Wen?«
»Sitz nicht mit offenem Mund da, Garion«, tadelte sie. »Du siehst aus wie ein Idiot. Adara ist die jüngste Tochter der Schwester deiner Mutter. Habe ich dir nie von ihr erzählt?«
Das war zuviel auf einmal. »Tante Pol!« protestierte er. »Wie konntest du nur etwas so Wichtiges vergessen?«
Aber Adara, offenbar genauso überrascht von ihrer Ankündigung wie er, stieß einen leisen Schrei aus, legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn hingebungsvoll. »Lieber Vetter!« rief sie.
Garion wurde erst rot, dann blaß, und schließlich wieder rot. Er starrte zuerst Tante Pol an, dann seine Base. Dabei konnte er weder sprechen noch zusammenhängend denken.
7
I n den folgenden Tagen, an denen die anderen sich ausruhten und Tante Pol Belgarath gesundpflegte, verbrachten Garion und seine Cousine jede freie Minute miteinander. Seit er ein kleines Kind gewesen war, hatte Garion geglaubt, daß Tante Pol seine einzige Familienangehörige war. Später hatte er entdeckt, daß Meister Wolf Belgarath ebenfalls ein Verwandter war, wenn auch ein unglaublich entfernter. Aber mit Adara war es anders. Sie war fast so alt wie er und schien sofort die Lücke auszufüllen, die er immer empfunden hatte. Sie verkörperte all die Schwestern und Cousinen und jüngeren Tanten, die jeder außer ihm zu haben schien.
Sie zeigte ihm die Algarische Feste von oben bis unten. Wenn sie durch die langen, leeren Flure wanderten, hielten sie sich oft bei den Händen. Die meiste Zeit jedoch redeten sie. Sie saßen an entlegenen Plätzen, die Köpfe zusammengesteckt, und redeten, lachten, tauschten Geheimnisse aus und ließen einander in ihre Herzen sehen. Garion entdeckte einen Hunger nach Gesprächen in sich, den er nie vermutet hatte. Die Umstände des vergangenen Jahres hatten ihn schweigsam gemacht, und jetzt brach sich die ganze Flut der Worte Bahn. Weil er seine große, schöne Cousine liebte, erzählte er ihr von Dingen, die er sonst keiner Menschenseele anvertraut hätte.
Adara erwiderte seine Zuneigung mit einer Liebe, die ebenso tief war, und sie lauschte seinen Redeschwällen mit einer Aufmerksamkeit, die ihn noch mehr von sich preisgeben ließ.
»Kannst du das wirklich tun?« fragte sie an einem strahlenden Winternachmittag, als sie zusammen in einer Nische hoch oben in der Festungsmauer saßen, deren Fenster das unendliche Meer aus winterbraunem Gras überblickte, das sich bis zum Horizont erstreckte. »Bist du wirklich ein Zauberer?«
»Ich fürchte ja.«
»Du fürchtest?«
»Dazu gehören ein paar ziemlich schreckliche Dinge, Adara. Zuerst wollte ich es nicht glauben, aber es geschahen immer Dinge, weil ich wollte, daß sie geschahen. Schließlich kam ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr zweifeln konnte.«
»Zeig es mir«, drängte sie.
Er sah sich etwas nervös um. »Ich glaube, ich sollte das lieber nicht tun«, sagte er entschuldigend. »Es macht einen bestimmten Lärm, den Tante Pol hören kann. Ich glaube nicht, daß sie es richtig fände, wenn ich es tue, nur um anzugeben.«
»Du hast doch keine Angst vor ihr, oder?«
»Das ist es nicht. Ich möchte nur nicht, daß sie von mir enttäuscht ist.« Er überlegte. »Ich will sehen, ob ich es erklären kann. Wir hatten einmal einen furchtbaren Streit in Nyissa. Ich habe einiges gesagt, was ich nicht so meinte, und dann hat sie mir erzählt, was sie alles für mich durchgemacht hat.« In Erinnerung an
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