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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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begangen wurden. Du wirst noch lernen, dass nie einer allein an einer Katastrophe Schuld trägt.«
    Julien antwortete nicht. Er schritt mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern neben seinem Herrn her. Düster schweigend durchquerten sie die Vorhalle des Königspalastes. An der
Galerie der Händler,
die wie üblich, ein buntes Gemisch unterschiedlichster Kundschaft angezogen hatte, ließ Adrien den Blick schweifen, ohne ein bestimmtes Ziel im Auge zu haben. Auf den Verkaufstischen wurden Stoffe, Bänder, Spitzen, Gürtel, Taschen, Schmuck, Duftkugeln, Balsamtiegel, Amulette und geheimnisvolle Liebestränke angeboten. Höflinge, Edelfrauen und Pariser Bürger drängten sich um die Waren, die von ihren Verkäufern in allen Sprachen des Abendlandes angepriesen wurden.
    Eine Gruppe Damen und Herren, allesamt auffallend elegant gekleidet, kam ihnen von weitem entgegen.
    Adrien drängte den Knappen zur Seite. »Hinter die Säule, dort. Ich will ihnen nicht begegnen.«
    »Die Schwiegertöchter des Königs«, murmelte Julien erstaunt. »Man sieht sie selten alle drei zusammen. Was hat das Mädchen, das Ihr nach Paris gebracht habt, in ihrem Gefolge zu suchen? Ist sie Eure Spionin?«
    Séverine in dieser Gesellschaft zu entdecken überraschte Adrien noch mehr als den Knappen. Er hatte Jeanne für klüger gehalten. Ausgerechnet an einem solchen Tag, an dem in der Stadt der Unmut brodelte, fröhlich lachend Spitzen und Flitterkram zu erwerben, war mehr als unbedacht. Es verhöhnte die Gefühle der Bürger und trug wenig dazu bei, den Ruf der königlichen Familie zu stärken.
    Marguerite blieb neben einem Verkaufstisch stehen, der sich unter Eichhörnchen- und Marderfellen bog. Mit Kennerblick wählte sie einige Felle aus und bat ihren Begleiter und Jeanne um Begutachtung.
    Zum Teufel sollten sie sich scheren! Adrien wäre am liebsten dazwischengefahren.
    Auch Blanche gab sich völlig unbeschwert. An der Seite Gautiers kicherte sie ausgelassen. Der Anblick der drei Prinzessinnen, begleitet von zwei höchst attraktiven Edelmännern, erregte Aufsehen. Adrien bemerkte missmutige Blicke und vernahm verächtliches Getuschel in seiner Umgebung. Der Auftritt verschaffte den Gerüchten neue Nahrung. Was bezweckte Marguerite damit?
    Sie musste einen Grund für das öffentliche Schauspiel haben. Je mehr Adrien darüber nachdachte, desto sicherer war er sich. Marguerite überließ nichts dem Zufall. Wenn sie einen solchen Ausflug organisierte, dann nur, weil sie eine Absicht damit verband.
    Aber welche?
    Dummkopf!,
beschimpfte er sich.
Die Antwort liegt auf der Hand. Sie macht Jeanne in aller Öffentlichkeit zur Mitwisserin ihres Ehebruchs. Zur Komplizin. Wer bemerkt schon, dass sie keinen Galan an ihrer Seite hat.
    »Seht die beiden Halunken dort! Was haben sie vor?«
    Julien riss Adrien aus seinen Überlegungen. Dem Blick des Knappen folgend, entdeckte er zwei stämmige Kerle im Lederwams neben Séverine. Sie trennten das junge Mädchen geschickt drängelnd vom Gefolge der Prinzessinnen. Als sie sie zu beiden Seiten am Arm packten, schrie sie erschrocken auf. Julien vergaß jede Vorsicht.
    Er flog förmlich auf die drei zu, rammte einem der breitstämmigen Burschen den Kopf in den Magen und stellte gleichzeitig dem anderen ein Bein. Séverine wurde zur Seite gestoßen und prallte hart gegen die Kante eines Verkaufstisches. Schmerz schoss ihr in die Hüfte und trieb ihr das Wasser in die Augen. Als sie den Kopf hob, erkannte sie Adrien, der Julien gefolgt war.
    Die Männer, denen erkennbar daran lag, kein Aufsehen zu erregen, ergriffen blitzartig die Flucht.
    »Bist du verletzt?«
    Ein wortloses Kopfschütteln beantwortete Adriens Frage, aber in Séverines Blick stand solches Entsetzen, dass er sie spontan tröstend in den Arm nahm. Als hätte er sich an ihr verbrannt, gab er sie jedoch augenblicklich wieder frei. Sie wich stumm einen Schritt zurück und noch einen zweiten. Julien grinste sie an und machte eine höfische Verneigung vor ihr. Adrien bekämpfte die eigene Bedrängnis, indem er ihn noch einmal vorstellte.
    »Du kennst den Nichtsnutz bereits. Es ist Julien von Porcin, mein Knappe.«
    »Aber ja doch.« Obwohl der Schock Séverines Stimme dunkel färbte, reagierte sie hellwach. »Er hat mir Marjolaine genommen.«
    »Er hat zuerst die beiden Kerle gesehen. Du verdankst ihm unser Eingreifen.«
    »Wer zum Kuckuck ist Marjolaine?«, fragte Julien. Er hatte Dank erwartet, keinen Vorwurf.
    »Meine Stute. Du hast sie übernommen, als

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