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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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allen guttun.«
    In der Annahme, dass ihre Dienste nicht länger gebraucht wurden, blieb Séverine zurück, da erreichte sie Marguerites Befehl. Die Königin von Navarra war nicht bereit, sie so einfach aus ihren Klauen zu lassen.
    »Du kommst mit, Demoiselle Séverine. Du kannst unsere Einkäufe tragen. Leider kann ich nicht über meine Kammerfrau verfügen. Stell dir vor, liebste Jeanne, sie ist ganz überraschend verstorben.«
    Jeanne erblasste, murmelte eine Frage und erfuhr ebenso wie Séverine in aller Ausführlichkeit, dass die Frau am Morgen unterhalb des
Tour de Nesle,
am Ufer des Flusses, tot aufgefunden worden sei.
    »Es scheint, sie ist von den Zinnen des Turms gestürzt. Ist das nicht tragisch?« Marguerite gab sich perfekt den Anschein zu trauern. »Mein Haushofmeister vermutet, dass sie dort oben heimlich die Hinrichtung sehen wollte. Im Dunkeln hat sie wohl das Gleichgewicht verloren und ist über die Zinnen gestürzt. Die Arme tut mir von Herzen leid. Ich habe veranlasst, dass man ein Dutzend Messen für sie liest. Sie war eine so nützliche, treue Dienerin.«
    Jeanne bekundete ihr Mitgefühl. Sie schluckte ihren Zorn auf Marguerites direkte Weisung an Séverine hinunter, auch weil sie fürchtete, es könnte einen Verdacht bei Marguerite auslösen, wenn sie das Mädchen zurückhielte.
    Séverine war mehr als nur betroffen. Sie griff mit tauben Fingern nach dem Umhang, den ihr Jacquemine im letzten Augenblick reichte. Entsetzen lähmte ihren Verstand. Eines begriff sie in aller Schärfe. Marguerites Ausführungen über den Tod der Kammerfrau dienten nur einem Zweck: der Warnung.
    Natürlich hatte sie von ihrer Kammerfrau erfahren, dass sie eine Botin eingelassen hatte. War es Jeanne wirklich gelungen, Marguerite davon zu überzeugen, dass sie den Brief lediglich auf den Treppenabsatz gelegt hatte?
    Wenn nicht, war auch ihr Leben jetzt in größter Gefahr. Und der Tod der Dienerin war eine schwere Last auf ihrem Gewissen.
    * * *
    Adrien maß seinen Knappen mit einem düsteren Blick. Das letzte halbe Jahr hatte die kindlichen Spuren aus seinem Gesicht getilgt.
    »Die Stadt ist unruhig. Die Pariser tragen dem König die hastige Hinrichtung nach. Es kursieren die wildesten Gerüchte über einen Fluch, mit dem der Großmeister auf dem Scheiterhaufen den König belegt haben soll. Wisst Ihr mehr darüber?«
    Der Großmeister hatte König Philippe und Papst Clemens dem Vernehmen nach prophezeit, sie würden, gleich ihm, noch in diesem Jahr vor Gottes Gericht treten. Seine Heiligkeit sogar innerhalb von vierzig Tagen. Der König hatte sich ungerührt gezeigt, aber was die abergläubischen Ohrenzeugen aus dieser Vorhersage machen würden, war eine andere Frage.
    »Es will mir nicht in den Kopf«, platzte Julien heraus, »dass der Papst eine solche Ungerechtigkeit zugelassen hat. Wisst Ihr, wie viele Tempelritter im Namen der königlichen Gerechtigkeit gefoltert und hingerichtet wurden?«
    »Zu viele, das musst du mir nicht sagen. Wir haben dieses Gespräch schon oft genug geführt. Du weißt, was ich über die Angelegenheit denke. Nicht umsonst schuldest du mir, das heißt Séverine, ein Pferd. Was hörst du?«
    »Von dem Pferd?«
    Adrien grinste. Wie kennzeichnend für Julien, dass er nie seine Schlagfertigkeit verlor.
    »Gut geantwortet, Kleiner. Je weniger man über bestimmte Dinge spricht, umso vernünftiger ist es in diesen Tagen. Hoffen wir, dass nach dieser Hinrichtung endlich Frieden einkehrt und dass, wer fliehen konnte, in Sicherheit ist.«
    Der Knappe kratzte sich unter der Kappe mit der Spielhahnfeder. »Merkwürdig, dass sich im Rat des Königs keiner für die Templer starkgemacht hat. Schließlich haben sie für das Christentum Jerusalem erobert. Sie waren doch einmal Helden, die vom König wie vom Heiligen Vater hofiert wurden.«
    »Was ihnen in gewisser Weise wohl zu Kopf gestiegen ist.« Adrien machte eine beschwichtigende Gebärde, die den Widerspruch seines Knappen verstummen ließ. »Das ist kein Grund, sie zu verleumden und zu vernichten, das wollte ich damit nicht ausdrücken. Aber es hat den Weg für die Anklagen des Königs geebnet und ihre Verteidigung erschwert.«
    »Ist es dem König endlich gelungen, Euch zu überzeugen? Mir wird übel, wenn ich an all die Grausamkeiten denke, die gegenüber den Templern alltäglich geworden sind.« Juliens Fäuste ballten sich in hilflosem Zorn.
    »Gemach, mein Junge. Du kannst nicht leugnen, dass auch aufseiten der Templer schwerwiegende Fehler

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