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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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gedrungen ist, in Kürze auch das Ohr des Königs erreichen wird. Appelliert an ihre Vernunft. Marguerite zumindest besitzt sie. Eure Frau Mutter würde nur auf den eigenen Vorteil sehen, und da weiß man nie, wessen Köpfe am Ende rollen.«
    Jeanne nickte bedrückt. »Ich muss Euch zustimmen. Ich werde Marguerite und Blanche morgen aufsuchen. Habt Dank für Eure Offenheit. Ihr seid uns ein wahrer Freund, Adrien von Flavy.«
    »Erlaubt mir noch eine Bitte. Erlasst Séverine weitere Botendienste dieser Art. Sie ist Euch tief ergeben und würde alles für Euch tun. Ich gab sie in Eure Obhut, weil ich wollte, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt, nicht Ungemach. Ich fühle mich ihr gegenüber in der Pflicht.«
    »Ihr habt mein Wort, dass ich umsichtig besorgt sein werde um sie.«
    »Dann sind wir uns einig, behaltet für Euch, was sie gesehen hat, und ruft die Ehebrecherinnen zur Ordnung.«
    »Die Ehebrecherinnen …«
    Schaudernd wiederholte Jeanne diese Bezeichnung.

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Fünftes Kapitel
    D ie Scheiterhaufen waren erloschen auf der Judeninsel. Ascheflecken erinnerten an den Feuertod, den die beiden Männer vor vierundzwanzig Stunden erlitten hatten. Jacques von Molay, der Großmeister des Templerordens, und der Präzeptor des Ordens in der Normandie, Geoffroy von Charnay, waren am selben Tag hingerichtet worden, an dem der König ihr Todesurteil unterzeichnet hatte. Am 18 . März des Jahres 1314 .
    Séverine schien es, als läge der Geruch dieser Hinrichtungen noch immer in der Luft. Jeder Atemzug schmeckte nach Asche und Verzweiflung im Mund. Der kurze Regenschauer, der am Vormittag die Stadt reingewaschen hatte, konnte nichts daran ändern.
    »Es riecht nach Tod«, beantwortete sie Jeannes Frage nach dem Grund ihrer Schweigsamkeit bedrückt. »Wie kann seine Majestät Männer der Kirche hinrichten lassen?«
    »Weil die Templer sich eines Verbrechens gegen die Krone schuldig gemacht haben.« Jeanne billigte das Todesurteil, weil ihr Mann es billigte. Sie hatte noch nie an ihm oder an seinem königlichen Vater gezweifelt. Dass Séverine eine ihrer Entscheidungen in Frage stellte, führte sie auf die Ahnungslosigkeit ihres Schützlings zurück. Wie sollte sie sich dort, wo sie wohlbehütet und in aller Abgeschiedenheit aufgewachsen war, mit den komplizierten Zusammenhängen der Politik vertraut gemacht haben können? Wie konnte sie den Vernichtungsfeldzug verstehen, den der König aus guten Gründen gegen den Orden der Templer geführt und nun zu einem gerechten Ende gebracht hatte?
    »Diese Ketzer verdienen den Tod. Die Gerechtigkeit des Königs ist unfehlbar. Man hat den Verurteilten Gnade erwiesen, ihnen eingeräumt, auf dem Vorplatz von NotreDame Buße zu tun, abzuschwören. Sie haben sich geweigert und damit ihr Schicksal selbst besiegelt.«
    Jeanne brach ab und drehte sich zum Eingang des Gartens um, wo Stimmengewirr und Gelächter einer kleinen Gesellschaft den Nachmittagsfrieden störten. Séverine folgte Jeannes Blick. Voll Überschwang erwartete die Gruppe einen freundlichen Empfang. Es war zu spät, ihr aus dem Weg zu gehen. Arm in Arm mit Blanche, von einem kleinen Hofstaat begleitet, schlenderte Marguerite auf sie zu. Die beiden Edelmänner, die ihnen folgten, überragten sie fast um einen ganzen Kopf. Ihre breiten Schultern waren in Samt gehüllt und die blonden Locken mit Federkappen geschmückt. Séverine erkannte sie dennoch.
    »Kein falsches Wort.« Jeanne griff nach Séverines Handgelenk. »Du weißt, was wir besprochen haben. Du hast lediglich den Brief auf die Stufen gelegt, nachdem dir niemand die Tür öffnete. Du kennst keinen der Seigneurs. Für dich sind sie Edelmänner, die zum Hofstaat gehören, ohne Namen und ohne Bedeutung. Solange du dich nicht selbst verrätst, bist du in Sicherheit. Die beiden haben keine Ahnung, wer mir die Beweise ihres Ehebruchs geliefert hat.«
    Allen Beteuerungen zum Trotz versetzte Marguerites Ankunft Séverine in Panik.
    »Ich werde ihnen entgegengehen. Ganz ruhig, Séverine. Lauf du in die andere Richtung und schließ dich dem übrigen Gefolge an.«
    Marguerite und Blanche sahen wohl und zufrieden aus. Sie umarmten Jeanne, als habe es nie den Hauch eines Zwistes zwischen ihnen gegeben. Sie wollten sie in die Galerie der Händler entführen, die in unmittelbarer Nähe des Königspalastes alles bot, was ein Frauenherz entzückte. Sie akzeptierten keine Ablehnung und keine Ausrede, und wie üblich fügte Jeanne sich. Sie würde ihr Hauskleid noch gegen ein

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