Turm der Lügen
Boden.«
Er brach ab. Adrien sah ihm an, dass er nach Worten suchte. »Sprecht weiter. Ich muss alles bis ins Kleinste wissen«, forderte er ihn auf.
»Die Königin von Navarra ist sehr ungehalten«, stieß Bersumée missmutig heraus. »Sie schreit mich an, sobald sie meiner ansichtig wird. Sie rechnet gegen jede Vernunft täglich damit, dass ihre Verbannung aufgehoben wird. Sie sieht mich jetzt schon hängen. Sie fordert Schreibzeug, Feuer, Bedienstete, Kleidung. Sie will nicht glauben, dass ihr all dies auf höchsten Befehl verweigert wird. Sie sieht sich als die künftige Königin Frankreichs.«
»Und die anderen?«, fragte Adrien knapp.
»Die Gräfin von Marche? Ähm … ich fürchte, ihr Verstand hat unter den Umständen gelitten. Sie vergießt in einem Augenblick bittere Tränen, im nächsten tobt sie hysterisch. Einmal ist sie sogar den Wachhabenden angegangen. Sie hat sich das Gewand zerrissen, um ihre Brüste darzubieten. Sie ist nicht mehr ganz bei sich.«
»Eitelkeit und Unkeuschheit haben sie in diese schlimme Lage gebracht«, sagte Adrien seiner Rolle gemäß. »Kümmert sich der Priester um die Frauen?«
»Keine Sorge. Das tut er täglich. Dennoch erreicht er wenig. Die Königin von Navarra ist ungebrochen in ihrem Stolz, die Gräfin Marche ist eine hilflose Beute ihrer eigenen Verwirrung.«
Hauptmann Bersumée hielt inne. Man sah ihm an, dass er seine nächsten Worte wohl überlegte. »Versteht mich recht, Seigneur, ich entschuldige die Taten der Gefangenen nicht. Aber Einsamkeit, Hunger und Kälte setzen ihnen über die Maßen zu. Bedenkt auch, sie tragen noch immer dasselbe Gewand wie bei ihrer Ankunft. Wenn sie sich waschen wollen, müssen sie sich das Wasser vom Mund absparen. Unter ihren Nonnenhauben wächst das Haar nach, wird schmutzig und verfilzt. Was wird aus uns, die wir nur unsere Pflicht tun, falls sie doch begnadigt werden?«
Adrien verstand sein Unbehagen, aber er verriet sich mit keiner Silbe.
»Ihr seht sie regelmäßig?«, erkundigte er sich stattdessen.
»Nur in der Kapelle, bei der Messe und der anschließenden Beichte. Sie dürfen ansonsten ihre Kammer nicht verlassen.«
Adrien nickte stumm, als ihm der Hauptmann einen Becher Wein anbot. Seine Gedanken überschlugen sich. Da Jeannes Name bisher nicht gefallen war, musste er eine gefährliche Frage wagen.
»Und was hört Ihr von der Gräfin von Poitiers?«, warf er betont beiläufig ein.
»Die dritte der Ehebrecherinnen? Soll sie etwa auch zu uns gebracht werden?« Beunruhigt setzte der Hauptmann seinen Becher ab. »Das wäre kein guter Einfall. Meine Männer sind rauhe Burschen, aber keine Unmenschen. Sie leiden schon genug darunter, das Schicksal dieser beiden Frauen mit ansehen zu müssen. Nicht noch eines.«
Adrien musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um gleichgültig zu erscheinen. Erleichtert, dass Jeanne nicht hier eingekerkert war, fragte er sich gleichzeitig besorgt, wohin man sie gebracht haben konnte.
»Eure Männer haben den Befehlen strikt zu folgen«, sagte er dann knapp. »Die Ehebrecherinnen haben jedes Recht auf Milde verspielt. Es kann keine Gnade dafür geben, dass sie die Söhne des Königs hintergangen haben. Es muss ihnen die ganze Härte des Gesetzes zuteilwerden, Hauptmann. Das ist eine schwere, aber ehrenvolle Aufgabe für Euch und Eure Männer.«
»Das sagt sich leichter, als es getan ist, Seigneur. Wir sitzen seit Monaten in diesem Adlerhorst fest. Man hat uns vergessen. Wir erhalten keinen Sold, keine Ablösung und keine Nachrichten. Unter solchen Umständen ist es schwer, Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten.«
»Und doch ist genau das Eure Aufgabe, Hauptmann. Sorgt dafür, dass man Euch kein Versagen nachweisen kann. Und kein Wort über die Gefangenen darf über die Mauern der Burg dringen. Nichts über die Umstände ihrer Verbannung. Von heimlichen Nachrichten und Hilferufen ganz zu schweigen, haben wir uns verstanden? Es soll Euer Schaden nicht sein, wenn Ihr Eure Pflicht tut.«
Adrien löste Philippes Börse von seinem Gürtel und warf sie auf den Tisch. »Nehmt dies als Lohn für Treue und Gehorsam und teilt es mit Euren Männern. Ich verlasse mich darauf.«
Beim Klang der Münzen im Lederbeutel leuchtete das Gesicht des Hauptmannes auf. Er griff zu. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Seigneur. Es wird höchste Zeit, dass ich meine Leute ruhigstellen kann.«
»Tut das«, entgegnete Adrien. »Man wird Euch auch weiterhin im Auge behalten.«
»Wollt Ihr Euch
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