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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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damit offiziell ein Bastard, dürft Euch nicht Graf von Artois nennen und werdet die Provinz nie erben.«
    »Ein schändlicher Meineid«, zischte Artois.
    »Wie dem auch sei. Ihr werdet Euren Zwist mit Mahaut nicht neu entfachen, auch wenn es Euch danach drängt. Haltet Euch zurück.«
    »Soll ich das als Drohung verstehen?«
    »Das bleibt Euch unbenommen.«
    Sie maßen einander mit Blicken. Ein kraftstrotzender Haudegen und ein hagerer Prinz, dem man die schlaflosen Nächte ansah. Dennoch war es Artois, der die Augen zuerst abwandte. Der Autorität wagte er nicht offen den Kampf anzusagen.
    »Mir liegt nichts daran, Euren Unwillen auf mich zu ziehen«, antwortete Artois nun betont zurückhaltender. »Wie kommt Ihr darauf, dass ich dem Hause Burgund-Artois schaden will. Es ist auch das meine.«
    »Haltet Euch in der nächsten Zeit von Mahaut fern.« Philippe verweigerte die Ablenkung. »Sie ist seit gestern wieder in der Stadt. Sie bietet ihren ganzen Einfluss auf, um die Aufhebung der Verbannung ihrer Töchter zu erreichen. Ich wünsche nicht, dass Ihr ihre Bemühungen stört oder ihre Position schwächt. Ihr habt Eure Rache gehabt und genug angerichtet.«
    »Wie darf ich das verstehen?« Artois war inzwischen beim dritten Becher Roten angelangt, aber der Wein schien ihm nichts anzuhaben. »Was bringt Euch auf den Gedanken, ich wolle die Begnadigung Eurer Gemahlin verhindern?«
    »Euer allseits bekannter Wunsch, Mahaut am Boden zu sehen, könnte Euch antreiben. Allein über ihre Kinder ist sie zu verletzen, das habt Ihr klar erkannt. Aber es ist jetzt keine Zeit für Fehden dieser Art. Frankreich steht vor einem Hungerwinter. Der König ist erschöpft und, wie Ihr selbst gesagt habt, gealtert. Wenn Ihr auf die Zukunft setzt, dann dient mir. Es soll Euer Schaden nicht sein. Ich werde Euch behilflich sein, wenn Ihr darum kämpft, Rang und Erbe zurückzuerhalten. Aber erst, wenn Jeanne wieder an meiner Seite ist.«
    »Verzeiht ein deutliches Wort, aber Ihr seid nicht der Erstgeborene, der mir dies garantieren kann. Louis erbt die Krone.«
    »Aber ich werde in seinem Rat sitzen. Ihr kennt meinen Bruder, er brennt auf Kampf und Krieg. Die lästige Arbeit der täglichen Regierungsgeschäfte wird er gerne einem anderen überlassen. Keinem neuen Nogaret oder Marigny, das könnt Ihr mir glauben. Louis braucht einen Mann, dem er vertrauen kann. Seinen Bruder.«
    Die Namen der Kanzler, vom Volk gefürchtet und gehasst, vom Adel verachtet und zähneknirschend geduldet, weil sie nur ihre eigenen Interessen verfolgten, waren auch Artois ein Begriff. Er kämpfte lieber mit dem Schwert als mit Worten. Nachdenken, Vorausplanen war nicht seine Stärke, aber die Argumente Philippes leuchteten ihm ein.
    »Ich werde abwarten«, nickte er schließlich langsam. »Zumindest für diesen Winter. Im Frühjahr werden wir sehen, wie die Dinge stehen. Wenn allerdings Mahaut mir in die Quere kommt, kann ich für nichts garantieren.«
    »Sie wird Euch nicht in die Quere kommen.«
    Es war ein unsicherer Waffenstillstand, das wusste Philippe, dennoch war ihm eine Last genommen. Das Eintreffen seiner Schwiegermutter in Paris hatte zusätzlich Hoffnung in ihm geweckt. Mahauts Position mochte angeschlagen sein, ihre Verbindungen waren dennoch nicht zu unterschätzen. Sie würde für ihre Töchter kämpfen, und ihm war jede Unterstützung willkommen. Er würde ernsthaft mit ihr sprechen müssen, wenn sie dem
Hôtel d’Alençon
einen Besuch abstattete.
    Er musste nicht lange darauf warten. Mahaut überfiel ihn noch am selben Tag.
    »Habt Ihr Euch tatsächlich mit Artois zum trauten Geplauder getroffen, Philippe? Wollt Ihr mir erklären, was ich davon zu halten habe?«
    Während sie auf ihre übliche, stürmische Art vor ihm auf und ab ging, entdeckte er auch an ihr die Zeichen des Alters. Unter den kostbaren Stoffen ihres prächtigen Gewandes, verbarg sie, dass sie an Fülle verloren hatte. Die Augen lagen tiefer als früher in den Augenhöhlen, die Wangen waren schlaff geworden. Nur ihre Stimme – sie klang immer noch wie die eines Mannes.
    »Auch Euch einen guten Tag, Mutter«, entgegnete er mit jenem stillen Sarkasmus, der ihm das einzige Mittel gegen ihre herausfordernde Art zu sein schien. »Ja, ich habe mich mit Eurem Neffen getroffen. Eure Spione halten Euch umfassend und schnell auf dem Laufenden. Leider habt Ihr ihn Euch zum erbitterten Feind gemacht. Er ist es, der Isabelle nach wie vor mit Informationen aus Frankreich und vom Hof versorgt,

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