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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
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wahrhaftig nicht gerechnet. Aber wenn Rapunzel fröhlich war, so klang sie sehr, sehr fröhlich; wenn sie sich dagegen unglücklich anhörte, war es einfach schrecklich.
    Grummelnd schlich sich Snorty durch den dunklen Raum zu ihrem Bett. Als nächstes folgte ein überraschtes Schnauben. »Ich kann es gebrauchen!« rief Snorty. »Es ist bequem! Mit Staub der Güteklasse A!«
    »Dann können wir jetzt vielleicht die Lampe wieder anmachen«, sagte Grundy. »Er befindet sich in Sicherheit unter dem Bett.«
    Einen Augenblick später zündete Rapunzel das Licht wieder an; offensichtlich verfügte sie über ein magisches Streichholz. Zuerst war es wirklich blendend, doch dann gewöhnten sich seine Augen daran.
    Es gab keine Worte, um Rapunzel angemessen zu beschreiben: Sie war das wunderschönste Wesen, dem er je begegnet war. Sie schien etwa zwanzig Jahre alt zu sein, mit Augen, die sich je nach Schattenwinkel verfärbten, und Haar wie endlose Seide, dessen Farbe von beinahe schwarz am Kopf zu einem ausgebleichten Weiß am Ende der Zöpfe reichte. Sie trug ein altmodisches mundanisches Röckchen und ein Leibchen, dazu Samtpantoffeln. Eine Reihe kräftiger Kämme hielt ihre Zöpfe, sie war gerade dabei, sie wieder einzuholen und zu befestigen, Strang um Strang. Grundy fragte sich, ob ihr das Gewicht des Haars nicht den Kopf zu Boden drücken müsse, doch ihr Haar wirkte derart dicht, als es sich um ihren Kopf wand, daß es überhaupt nicht mehr zu werden schien, soviel sie auch auftürmen mochte. Offensichtlich war das Haar ihr magisches Talent; es war sowohl unendlich als auch beschränkt.
    »Oh… ich dachte, du wärst größer«, sagte sie.
    »Ich habe wohl vergessen, es dir zu sagen«, erklärte Grundy. »Ich bin ein Golem.«
    »Ein Golem?«
    »Ich wurde aus Holz und Lumpen und Fäden gemacht«, erklärte er weiter. »Vor einigen Jahrzehnten. Später gelang es mir, lebendig zu werden, doch meine Körpergröße hat sich nicht verändert.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Du gefällst mir so, wie du bist.«
    »Tue ich das?« Auch das überraschte ihn völlig.
    »Natürlich. Es hat seine Vorteile, die richtige Größe zu haben.« Und plötzlich war sie genauso groß oder besser klein wie er.
    Grundy fielen fast die Augen aus dem Kopf. Wo gerade eben noch ein ausgewachsenes Menschenmädchen gestanden hatte, befand sich nun eine winzige Rapunzel. Sie war in jeder Hinsicht mit der anderen identisch, und ebenso wunderschön, nur eben kleiner. »Wie…?« fragte er verblüfft.
    »Ich entstamme einer Verbindung von Elfe und Mensch«, erklärte sie. »Das begann alles vor vierhundert Jahren, als meine soundsovielte Urgroßmutter einen gutaussehenden menschlichen Barbarenkrieger begegnete und für ihn zu einem Stelldichein einen Anpassungszauber benutzte. Seitdem können ihre Nachfahren jede beliebige Körpergröße annehmen. Ich kann also etwa so groß werden wie du, also kleiner als ein Elf, aber auch so groß wie ein Riese. Einige meiner Vorfahren haben Elfen geheiratet, andere Menschen, je nachdem, was sie vorzogen, aber die Magie hat sich erhalten. Mir ist die Körpergröße eigentlich nicht sehr wichtig, doch bisher habe ich wegen der Süßen Mutter meistens die menschliche Größe angenommen. Möglicherweise würde mein Haar dann auch nicht bis ganz unten reichen, wenn ich zu klein bin, obwohl ich mir da gar nicht sicher bin. Es scheint nämlich immer weiter zu wachsen, und in dieser Körpergröße habe ich es längere Zeit nicht mehr versucht.«
    »Deine Urgroßmutter«, wiederholte Grundy, dem plötzlich etwas eingefallen war. »Ich kenne einen Menschenmann aus ungefähr jener Zeit, er heißt Jordan. Er sagt, er…«
    »Ja, das ist er!« rief sie und klatschte begeistert in die kleinen Hände. »Ich habe mich schon immer gefragt, was aus ihm geworden ist, nachdem er den Elfenbaum verlassen hat. Weil meine erste weibliche Ahnin eine Elfe war, erfuhr sie nie mehr über den Mann, der wie alle Barbaren zu den rastlosen Wanderern und Streunern gehörte.«
    »Das kann ich dir erzählen«, antwortete Grundy erfreut. Ihm gefiel diese Frau sehr gut. »Aber zuerst muß ich dir noch etwas Ernsteres erzählen. Ich fürchte, es wird dir sehr schwerfallen, es anzunehmen.«
    »Ach, das glaube ich nicht!« meinte sie fröhlich. Dann setzte sie sich neben ihn auf den Boden, da die Möbel nun für beide zu groß geworden waren. Ihre Nähe elektrisierte ihn förmlich, denn sie war nicht nur das schönste Wesen seiner Größe,

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