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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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herausragte, und alles drum herum war so ordentlich aufgeräumt, als wär’s … ich weiß auch nicht … in seinem Zimmer, bei ihm zu Hause.«
    »Hast du Feldmäuse, Ratten oder etwas in der Art in der Nähe gesehen?«
    »Wenn da welche waren, dann haben wir sie zumindest nicht gesehen.« Er sah mich direkt an. »Warum fragen Sie?«
    »Gibt keinen wirklichen Grund. Man stellt bei so einer
Untersuchung einfach die Fragen, die einem gerade in den Sinn kommen, egal, ob das im Moment einen Sinn ergibt oder nicht. Man versucht einfach, ein Gefühl für alles zu kriegen, die groben Konturen zu erkennen, und hofft, durch seine Fragen etwas aufzurütteln.«
    »Bei Ihnen oder bei mir?«
    »Beides ist mir recht.«
    »Interessant.« Er machte sich Notizen auf einem Block, der neben ihm lag.
    »Seit wann geht ihr miteinander, Sarah und du?«
    »Sarah und ich gehen nicht miteinander. Wir hängen nur manchmal zusammen ab.«
    »In den Zufahrten unbewohnter Häuser?«
    Er wollte etwas kontern, zuckte dann aber nur mit den Achseln.
    Ich blickte betont auf das Foto auf seinem Schreibtisch.
    »Was sagt sie dazu?«
    »Eine Menge. Praktisch ununterbrochen. Aber Sarah … Sarah und ich sind schon sehr lange befreundet. Die meisten von den anderen mögen sie nicht und finden sie seltsam. Aber es gibt hier nicht viele Leute, mit denen man sich vernünftig unterhalten kann, mit denen man über Dinge reden kann, die einem wichtig sind. Sehen Sie, Sie kommen doch aus der Stadt, stimmt’s?«
    »Ja. Aber der Ort, aus dem ich ursprünglich komme, ist diesem hier sehr ähnlich.«
    Er nickte. »Dann wissen Sie ja wahrscheinlich, wie es ist.«

    Ich hatte keine Ahnung, was da auf ihrem CD-Player lief. Ich hätte noch nicht einmal gewusst, wie man so etwas nannte. Es war anders als jeder Rock’n’ Roll, den ich je gehört hatte. Und es kam auch nicht aus ihrem CD-Player, wie sich herausstellte, sondern direkt aus dem Computer.
    Musik ist der erste Halt, den man verliert, wenn man alt wird, dachte ich, während wir die steilen Stufen in den Keller hinabstiegen, den Sarah Perkins ihr Eigen nannte. Die Stufen waren aus schlichten, unbehandelten Holzbrettern, die rechts und links in zwei Kanthölzer eingelassen waren, auf denen sich die schwarzen 10-Penny-Nägel dunkel abzeichneten. Sarah saß unten in einem Lichtkegel. Die Musik strömte auch von unten nach oben, wie ein umgekehrter Abfluss. Für mich hörte es sich an wie ein Brei von Aufzeichnungen in der Natur und im Alltag vorkommender Geräusche - das Zirpen von Grillen, Schritte auf Schotter, fallende Äpfel -, und das Ganze bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
    Sarah drehte sich auf ihrem Stuhl, als wir den Zementboden betraten. Vor Jahren hatte jemand aus Kanthölzern eine Rahmenkonstruktion gebaut und begonnen, Rigipsplatten daran zu befestigen, hatte sogar eine Wand mit billigem Holzimitat vertäfelt, bevor das Projekt unvollendet verworfen wurde. Sarah hatte die freien Flächen mit alten Schallplattenhüllen (hauptsächlich Jazz aus den Fünfzigern), Kinoplakaten (eine deutliche Vorliebe für Horrorfilme) und einem Mischmasch dunkler Stoffe von jeder erdenklichen Form, Größe und Struktur abgedeckt. Bücher stapelten sich an jeder Wand. Den größten Teil des Raumes jedoch nahm der U-förmige Schreibtisch ein, an dem Sarah
saß, umgeben von drei oder vier Computern und ebenso vielen Monitoren, dazu verschiedene, untereinander verbundene Peripheriegeräte, Scanner und dergleichen. Der riesige, halb dunkle, halb erleuchtete Raum war das Innere ihres Kopfes und dies damit das Cockpit, von dem aus sie alles auf Kurs hielt.
    Sie fiel Don Lee praktisch sofort ins Wort, als der mich vorstellte.
    »Wie geht’s Seth?«
    »Es geht ihm gut«, sagte ich. »Habt ihr zwei euch nicht mehr gesehen?«
    »Unsere Eltern lassen uns nicht. Hier.« Sie reichte mir eine dieser Klarsichtmappen, die man mit einer Lasche verschließen konnte. »Das sollte helfen. Und Zeit sparen.«
    Don Lee starrte die Mappe einen Moment lang an und reichte sie dann an mich weiter. Auf dem Deckblatt stand in Großbuchstaben: VORFALL IN DER NACHT VOM 14. MAI. Dann, nach zwei Leerzeilen: WIE BEHAUPTET VON SARAH PERKINS. Darunter ihre Anschrift, Telefonnummer, zwei E-Mail-Adressen und eine Unterschrift.
    In der Mappe befand sich eine mit ungefähren Zeitangaben versehene Liste, die Schritt für Schritt beschrieb, wie sie und Seth McEvoy in der Siedlung angekommen waren, in die Einfahrt fuhren, wie sie zum ersten Mal sah, was sie für

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