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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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schlimmer, je mehr Zeit wir miteinander verbringen.«
    »Tut mir leid, Mann.«

    »Mir auch. Dorey auch. So sind wir Menschen. Allen tut’s leid. Und Betty am meisten.« Seine Tochter, wie alt, vielleicht vierzehn? »Sie sagt nichts, tut so, als wüsste sie nichts. Aber man kann es ihr an den Augen ablesen.«
    »Muss schwer sein.«
    »Das Unheimliche ist, wie einfach alles ist, auf manche Weise.«
    Bobby wehrte sich nicht. Er kam zur Wohnungstür, als wir klingelten (einer dieser damals populären Klingeltöne) und sagte, er wüsste ja, er wüsste ja, aber sie hätte einfach kein Recht dazu, und es wäre schließlich auch sein Haus. Er sagte das den ganzen Rückweg in die Stadt, während er Augenkontakt über den Rückspiegel suchte, sein orangefarbenes Sweatshirt voller Flecken. Er redete immer noch, als wir ihn in der Notaufnahme des John Gaston rausließen, auf dem Weg in die Psychiatrische Abteilung. Zu dem Zeitpunkt war beinahe Schichtende, und das Polizeirevier ragte vor uns auf, dieser jähe Felsen greller Lichter, als wir mit unserem kleinen hicksenden Boot, dessen Seitenspiegel wie ein nutzloses Flügelchen flatterte, anhielten. Randy sagte mir, er würde sich um den Papierkram kümmern.
    »Kommt nicht infrage.«
    »Hey …«
    »Geh nach Hause, Randy. Geh nach Hause und nimm deine Tochter in den Arm, mach deiner Frau Frühstück. Sprich mit ihnen.«
    Er hat es nicht getan, natürlich nicht. Aber zu jenem Zeitpunkt habe ich mir vorgemacht, er würde vielleicht.
    Am nächsten Tag meldete er sich krank und auch am übernächsten. Der Captain hielt mich an, um zu hören, ob
ich wüsste, was los sei. Er hat nicht so direkt gefragt oder gedrängt, sondern sagte lediglich, er hoffe, Randy sei bald wieder auf den Beinen, denn er hätte bisher noch keinen einzigen Tag gefehlt.
    An jenem Abend rief ich ihn an.
    Hey. Turner. Schön, deine Stimme zu hören, sagte Randy. Ich bleibe nur mal ein paar Tage zu Hause, erzählte er mir. Befolge deinen Rat. Lass es locker angehen.
    »Es geht dir also gut?«
    »Besser noch. Jeden Tag hausgemachtes Essen. Braten, Kartoffelpüree, Sauce. Esse die Reste am nächsten Morgen mit einem Brötchen. Aber tut mir leid, dass ich dich so hängen lasse. Wie geht’s den bösen Buben?«
    »Sind immer noch die Sieger. Bleib nicht zu lange weg, oder wir holen nie auf.«
    »Werd ich nicht. Bis bald, Partner.«
    Zwei Tage später fuhr ich hin. Es dämmerte schon, die Farben der Welt verblassten sichtbar, der Umriss der Blätter an den Bäumen verschwamm, überall Schatten. Durch ein Fenster hoch oben in der Eingangstür konnte ich über das Sofa hinweg einen Couchtisch sehen, auf dem sich Teller, Gläser, Einwickelpapier von Hamburgern und Chipstüten stapelten. Der Fernseher lief, irgendeine heimische Talentshow für Kinder, das Bild drehte sich alle drei Sekunden wie bei einem Uhrwerk.
    Ich klingelte noch zwei Mal, öffnete dann die Fliegentür und hämmerte gegen die Haustür. Vielleicht sollte ich es hinten versuchen? Bei den Nachbarn? Ich sah nach rechts, wo ein Vorhang im Nachbarhaus zufiel, und drehte mich gerade wieder zurück, als Randys Kopf über dem Sofarand
zum Vorschein kam. Kilroy was here! Nur dieses halbe Gesicht und die Finger der beiden Hände. Als ich winkte, hob sich eine der Hände, um zu antworten. Randy schaute sie verdutzt an. Ich erwartete, er würde nun aufstehen und um das Sofa herumkommen, aber stattdessen kletterte er über die Rücklehne, stolperte, als er drüben angelangt war, und fing sich schwankend wieder, wie Dick Van Dyke an einem schlechten Tag. Näher an der Tür stolperte er tatsächlich.
    »Hey«, sagte er. »Möchteste’n Kaffee?«, und ging voraus, ohne die Antwort abzuwarten. Er öffnete Schubladen und Schranktüren und sah unter die Stühle. »Hab hier irgendwo welchen.«
    Ich ging in die Küche. Natürlich war dort welcher. In einem Corningware-Topf mit blauen Blumen darauf. Der Topf war noch voll und stand schon eine ganze Zeit dort. Aber Randy war nicht betrunken, wie ich zuerst dachte. Es war schlimmer.
    Als ich an ihm vorbeiging, folgte er mir wie ein verlorenes Kätzchen. Dann ging er auf Augenhöhe mit dem roten Lämpchen unter dem Henkel.
    »Da ist er!«
    Brauchte über eine Stunde, um etwas Vernünftiges aus ihm rauszukriegen. Ich schüttete Randys abgestandenen Kaffee in den Ausguss, machte neuen, und wir saßen am Küchentisch und kippten ihn runter. Er war wie ein Kind. Wie ein Boot, das sich losgerissen hat und dahin fährt, wohin Wind

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