Turner 01 - Dunkle Schuld
Wiedergutmachung und so?«
»Abendessen vielleicht? Ich bin für alles offen.«
»Sie kochen?«
»Ich lade ein.«
»Das könnte hier in der Gegend ein Problem werden.«
»Meine Kochkünste ebenfalls.«
»Hm. Dann sollte ich vielleicht kochen. Das kleinere Übel, sozusagen. Allerdings nicht viel übler, muss ich gestehen.«
»Oder wir werfen die ganze Sache mit dem Essen über Bord …«
»Schnelle Reaktion, Turner. Sehen Sie sich vor!«
»… und gehen nur was trinken.«
»Einverstanden.«
»Irgendwo hier in der Nähe muss es eine Bar geben. Ich werde mich umhören.«
»Geschenkt. Ich kenne genau den richtigen Ort.«
»Habt’ne Verabredung, was?«, sagte Don Lee, als ich auflegte.
Wir verbrachten den Tag damit, die Akten des Mordfalls zu aktualisieren und alles zu sortieren, medizinische Berichte
und kleinere Informationen, die per E-Mail oder Fax hereingekommen waren, lasen alles noch einmal durch, überprüften, sortierten, machten uns Listen. Wie so vieles im Leben, besteht eine Mordermittlung in erster Linie daraus, sich vorwärtszuschleppen, eine Schleife zurück zu drehen und zu warten. Deutlich mehr öde Verwaltung als aufregendes Abenteuer. Don Lee brachte den Sheriff auf den neuesten Stand bezüglich unserer Besucher. Bates hatte ein paar Mal angerufen, gegen Mittag und noch einmal gegen drei oder so, als wir auf einen Kaffee rüber in den Imbiss gingen, um zu hören, wie es lief, und kreuzte kurz danach auf, um zu übernehmen, kurz bevor seine Tochter June Dienstschluss hatte. Vater und Tochter umarmten sich, Bates und Don Lee machten eine kurze Übergabe, obwohl das meiste schon telefonisch geklärt war, und Don Lee machte sich auf den Weg nach Hause. Ich blieb noch eine Weile, um das eine oder andere zu besprechen. Dann fuhr mich der Sheriff zu meinem Rendezvous mit Val.
Wie sich herausstellte, war »genau der richtige Ort« keine Beschreibung, sondern der Name der Bar. Umgeben von einem Schotterparkplatz, lag sie auf einer Lichtung, etwa drei bis vier Meilen außerhalb der Stadt. Just the Place war das, was die Leute zu Hause eine Bierbude nannten, und die meisten von ihnen würden lieber tot umfallen, als auch nur in der Nähe eines solchen Etablissements gesehen zu werden. Bierbuden waren für Säufer - Kanacken, Penner, Leute in Jeans oder dreckiger Arbeitskleidung, die ihre Lohntüte versoffen, ihre Frauen schlugen und die Kinder verhungern und verlottern ließen.
Drinnen sah es genauso aus wie draußen, einschließlich
aller Vorurteile, ich schwör’s. Val saß an der Bar mit einem Bier auf Halbmast.
»Ich wollte eine Lady sein und warten …«
»Muss ein harter Kampf gewesen sein.«
»… aber dann habe ich mir gesagt, egal, was soll’s.«
»Einspruch stattgegeben.«
Sie hob zustimmend ihre Flasche. Kurz danach gelang es mir, dem Barkeeper eine eigene Flasche abzuringen, einer Frau in einem viel zu kleinen, sehr knapp sitzenden Western-Shirt und einer riesigen Mähne, wie man sie außerhalb von Texas selten sieht. Ich berichtete Val umfassender über das, was ich ihr schon von Carl und der Hazelwood-Familie erzählt hatte. Ihre Identifikation des Leichnams, was sie mir über seinen Hintergrund erzählt hatten, was ich über sie herausgefunden hatte. Val sagte, wir würden als Erstes morgen früh per Fax die Ergebnisse der Spurensicherung bekommen, sobald der Medical Officer einen Blick darauf geworfen und den Bericht unterschrieben hätte. Sie denke aber nicht, dass es uns sehr viel weiterbrächte. Die hätten ein paar Blutgruppen und so weiter für sie, aber alles ziemlich unspezifisch.
Dann erzählte sie mir von ihrem derzeitigen Fall. Sie war von neun Uhr morgens bis kurz vor unserer Verabredung bei Gericht gewesen.
»Meistens befasse ich mich mit Familienrecht. Vor fast einem Jahr war der Mann meiner Klientin verärgert, weil sie mit einem alten Freund aus der Highschool Essen war. Er ging in das Zimmer ihrer Tochter, sie war damals vier, und begann, sie zu schlagen. Die Mutter kam nach Hause und fand sie mit glasigen Augen in ihrem Gitterbettchen.
Ihr Bettzeug, das mit blauen Engeln und rosa Schaukelpferden bedruckt war, war voller Blut-und Schleimflecken. Der Mann sagte, er wüsste von nichts, und das letzte Mal, als er nach dem Mädchen gesehen hätte, wäre alles in Ordnung gewesen. Meine Klientin zog natürlich sofort aus. Aber das Mädchen hatte bleibende Hirnschäden. Sie hat sich nie erholt, sie hat sich geistig nicht weiterentwickelt, selbst als ihr Körper
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